Nordkorea feuert im noch jungen Jahr bereits zum zweiten Mal eine Rakete ab. Das meldeten die Nachbarstaaten Japan und Südkorea. In der Nacht auf heute nun bestätigt das auch Nordkorea selbst: Die Tests mit einer Hyperschall-Rakete seien beide erfolgreich gewesen. Der Journalist Martin Fritz erklärt, welche Signale das isolierte Regime mit den Raketentests an die Welt aussenden will.
SRF News: Ist es glaubwürdig, dass es sich bei den abgeschossenen Objekten um Hyperschallraketen handelt, wie Nordkorea behauptet?
Martin Fritz: Nach dem ersten Test von letzter Woche gab sich Südkorea recht skeptisch: Nordkorea habe keine erkennbaren waffentechnischen Fortschritte gegenüber dem ersten Test dieser Waffe im September 2021 gemacht. Der Test vom Dienstag diente wohl auch dem Ziel, diese Zweifel auszuräumen. Das scheint gelungen. Südkorea bestätigte heute, dass die Rakete zeitweise die zehnfache Schallgeschwindigkeit erreicht habe. Auch Japan sprach von Anzeichen für eine neuartige Waffe. Ausserdem verkündete Nordkorea, dass Führer Kim Jong-un den Test beobachtet habe. Das hätte man sicher nicht gemeldet, wenn der Test daneben gegangen wäre.
Warum fanden die Tests gerade jetzt statt?
Die Botschaft richtet sich immer an den eigentlichen Erzfeind Nordkoreas, die Vereinigten Staaten. Zu Neujahr hatte Kim erstmals die Versorgungskrise im Land in den Mittelpunkt seiner traditionellen Ansprache gestellt. Bisher lag der Schwerpunkt immer auf der Aussenpolitik und dem Verhältnis zu den USA. Aus dieser Änderung könnte Washington womöglich abgeleitet haben, dass Kim künftig mit Innen- und Wirtschaftspolitik beschäftigt sein könnte und seinem Regime das Geld für die Weiterentwicklung seiner Atombomben und Raketen fehlt.
Die Botschaft: US-Präsident Joe Biden soll nicht das Gefühl bekommen, er könne Nordkorea von seiner Aufgabenliste streichen.
Die beiden Raketentests könnte man als Signal an Washington verstehen, dass die Modernisierung der Raketen weiter vorangetrieben wird. Unabhängig davon, wie schlecht es den Nordkoreanerinnen und Nordkoreanern geht. Die Botschaft: US-Präsident Joe Biden soll nicht das Gefühl bekommen, er könne Nordkorea von seiner Aufgabenliste streichen.
Inwiefern sind diese Tests ein Zeichen gegenüber dem Nachbarn Südkorea? Die Länder sind ja seit Jahrzehnten gespalten und haben sich erst vor kurzem wieder etwas angenähert.
Die Raketentests lassen sich als Schlag ins Gesicht von Südkoreas Präsidenten Moon Jae-in interpretieren. Moon hatte in seiner Neujahrsansprache angekündigt, die verbleibenden vier Monate seiner Präsidentschaft für einen letzten Friedensvorstoss auf der koreanischen Halbinsel zu nutzen. Dabei dürfte er an ein neuerliches Treffen mit Kim und eine gemeinsame formale Erklärung gedacht haben, dass der Koreakrieg von 1953 beendet wird.
Nordkoreas Führer Kim erwähnte Südkorea in seiner Neujahrsansprache aber gar nicht und reagierte auch nicht auf Moons Angebot. Stattdessen kommen jetzt die Raketentests. Womöglich hat sich Kim entschieden, in den nächsten Monaten keinen weiteren Versuch mit Moon zu unternehmen und das Ergebnis der Präsidentenwahl abzuwarten.
Insgesamt sind die Raketentests wohl kein gutes Zeichen für einen baldigen Frieden zwischen Nord- und Südkorea.
Ich gewinne langsam den Eindruck, dass Nordkorea derzeit nur wenig Erwartungen hat, dass sich Präsident Moon in Seoul und Präsident Biden in Washington bewegen können und wollen. Daher will man die Zeit nutzen, um das Waffenarsenal weiterzuentwickeln. Wir könnten also in den nächsten Monaten noch weitere Tests neuartiger Waffen sehen.
Das Gespräch führte Roger Aebli.