Gute Nachrichten sind derzeit rar. Die täglich aktualisierten Todeszahlen in der Corona-Krise sind zu einem traurigen Ritual geworden. Hoffnungsvoll macht der Blick hinauf in den Norden: Island meldet acht Corona-Opfer, in Grönland und auf den Färöern ist noch niemand am Virus gestorben.
Und das, obwohl die Inseln im Nordatlantik relativ viele Corona-Infektionen haben. Denn die Abgeschiedenheit schützt in der globalisierten Welt nicht vor einer Pandemie. In Island etwa gibt es über 1700 bestätigte Falle – und das bei einer Bevölkerungszahl von rund 360'000. Allerdings: Wer viel testet, hat auch mehr bestätigte Infektionen.
Die Menschen sind bereit, ihre Gesundheitsdaten preiszugeben.
Und genau das haben die nordischen Inseln gemacht. «Sie haben früh reagiert, als die ersten Fälle bekannt wurden. Aber nicht durch einen Lockdown der Gesellschaft, sondern durch massenhafte Tests», erklärt Bruno Kaufmann, der für SRF über Nordeuropa berichtet.
Zudem seien die Menschen vor allem in Island, wo immer wieder Vulkane ausbrechen, katastrophenerprobt. Die Bereitschaft, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, sei sehr ausgeprägt.
Nirgendwo auf der Welt wurde ein so grosser Teil der Bevölkerung auf das Coronavirus getestet wie in Island. Die Tests zeigten, dass es viele Infizierte ohne Symptome gab. «So war es möglich, diese Menschen frühzeitig zu isolieren. Das hat sicher geholfen, das Virus einzudämmen und die Opferzahlen gering zu halten», ist Kaufmann überzeugt.
Island ist nicht nur offen gegenüber Corona-Tests, sondern traditionell auch gegenüber Gentests. Über hunderte Jahre lassen sich die Stammbäume der Bevölkerung zurückverfolgen. «Die Menschen haben weniger Datenschutzbedenken als andernorts. Sie sind bereit, ihre Gesundheitsdaten preiszugeben», so Kaufmann. Und auch jetzt durchleuchten Wissenschaftler die Bevölkerung.
Ein Labor für die Welt
Auch auf der Inselgruppe der Färöer mit ihren 50'000 Einwohnern hat man rund zehn Prozent der Bevölkerung getestet. Man habe aber auch davon profitiert, dass es in der Fischwirtschaft eine gute «Virenerkennungs-Infrastruktur» gebe, berichtet Kaufmann. Diese Erfahrung habe den Behörden auf den Färöern nun auch geholfen, die Epidemie einzudämmen.
Das Know-how der Nordlichter in Sachen Virusbekämpfung wird weltweit wahrgenommen. Gerade isländische Wissenschaftler seien bestens in die internationale Forschungsgemeinschaft integriert, sagt Kaufmann. Anfang April schätzte das Zentrum für Seuchenkontrolle und Prävention in den USA, dass bis zu 25 Prozent der Infizierten asymptomatisch sind – dies auch auf Grundlage der Erkenntnisse aus Island.
Man könne die Inseln im Nordatlantik durchaus als «Labor für die Welt» bezeichnen, schliesst Kaufmann. Dank der Massentests und der reichhaltigen Gen-Datenbanken sei es möglich, mehr über die Hintergründe gewisser Erkrankungen zu erfahren.
Auch im Fall des Coronavirus. «Man hat zum Beispiel herausgefunden, dass es zwei Typen der Viren gibt – einen weniger und einen viel stärker ansteckenden. Auf Island gab es eine Person, die beide hatte», so der SRF-Mitarbeiter.
Von der Epidemie verschont worden sind die abgelegenen Inseln also nicht. Doch auch sie planen nun den Weg zurück in die Normalität. Island will Schulen, Coiffeursalons, Museen und Schulen Anfang Mai wieder öffnen – Nachtclubs, Bars und Fitnesscenter sollen geschlossen bleiben.