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Iran ist an der Schwelle zur Atommacht
Aus Echo der Zeit vom 07.06.2024. Bild: KEYSTONE/EPA/ABEDIN TAHERKENAREH
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Nukleares Säbelrasseln Fällt die iranische Anti-Atombomben-Fatwa?

Damit Iran in Kürze zur Atommacht wird, bedarf es noch einer politischen Entscheidung. Die Folgen wären gravierend.

Dauert es noch ein Jahr? Oder bloss sechs oder gar nur drei Monate, bis Iran einsatzbereite Atombomben besitzt? Darüber wird eifrig diskutiert, oft auch nur spekuliert. Im Grunde spielt es kaum noch eine Rolle. Denn es bedarf einzig noch einer politischen Entscheidung, damit Iran in Kürze zur zehnten Atommacht weltweit wird.

Allerdings hält Ali Chamenei, der Oberste geistliche Führer und Machthaber, daran fest, Atombomben seien unislamisch. Sein Land werde deshalb keine bauen.

Fällt die Anti-Atombomben-Fatwa?

Mark Fitzpatrick, einer der weltweit führenden Experten für Massenvernichtungswaffen, nimmt diese Fatwa von Ali Chamenei ernst. Fitzpatrick war jahrelang im US-Aussenministerium zuständig für die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen und ist heute bei der Londoner Strategieinstitut IISS tätig.

Symbol eines Atoms vor einer iranischen Flagge.
Legende: Ali Chamenei, der Oberste geistliche Führer und Machthaber, hält daran fest, Atombomben seien unislamisch. Sein Land werde deshalb keine bauen. Reuters/Dado Ruvic

Fitzpatrick sagt aber auch, dass in Iran Kräfte rund um die Revolutionsgarden mächtiger würden, die rein militärisch-nationalistisch motiviert seien und nicht religiös – und die Anti-Atombomben-Fatwa gerne aufhöben.

«Nüchtern betrachtet ist der Status Quo als Fast-Atommacht für Iran komfortabel.» Er habe bereits den Vorteil der Abschreckungswirkung, ohne die Nachteile des Besitzes von Atombomben in Kauf nehmen zu müssen.

Beträchtliche Nachteile

Diese Nachteile wären beträchtlich: Israel würde mit Sicherheit iranische Atomanlagen attackieren, sollten seine Nachrichtendienste erfahren, dass Iran Nuklearwaffen herstellt. Die USA würden in diesem Fall Israel unterstützen.

Zwar sind Irans Atomanlagen hervorragend geschützt. Sie befinden sich teils hunderte Meter tief im Boden. Dennoch ist Fitzpatrick überzeugt, dass Israel imstande wäre, zumindest die oberirdischen Zugänge zu zerstören und das Atomprogramm weit zurückzuwerfen.

Iranische Atombomben hätten zudem regionalpolitisch bedrohliche Folgen. So hätten die Saudis klargemacht, sie zögen nach und würden ebenfalls zur Atommacht, worauf sie sich seit Jahren vorbereiten.

Andere Länder würden nachziehen

Und auch die Türkei, Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate könnten auf Atombomben setzen. Statt bloss eine Nuklearmacht (Israel) gäbe es im Nahen Osten bald gleich deren vier oder fünf.

Mann im traditioneller arabischer Kleidung am Schreibtisch sitzend.
Legende: Die Saudis und ihr Kronprinz Mohammed bin Salman haben bereits klargemacht, ebenfalls zur Atommacht zu werden, wenn Iran diesen Schritt gehen würde. Reuters/Saudi Press Agency

Es gibt indes Stimmen, die sich von iranischen Atombomben mehr Stabilität versprechen. Die prominenteste war der verstorbene US-Politikwissenschafter Kennetz Waltz. Seine Überlegung: Besässe Iran Atombomben, genauso wie Israel, würden sich Teherans Machthaber sicherer fühlen und weniger aggressiv auftreten und nicht länger zahllose gewalttätige Milizen fördern – von Libanon bis Jemen.

Fitzpatrick, der selber aus der diplomatischen Praxis kommt, weist dieses Argument zurück. Es sei eine typische Theorie aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft. Die Situation im Nahen Osten sei völlig anders als jene im Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion, wo tatsächlich eine – zwar prekäre – Stabilität herrschte wegen der Möglichkeit der totalen gegenseitigen nuklearen Zerstörung. In Nahost würden mehr Atommächte mehr Instabilität bedeuten. Und zwar für alle Staaten.

Deshalb täte Iran gut daran, so Fitzpatrick, die Schwelle zur Atommacht nicht zu überschreiten – was natürlich voraussetzt, dass auch die künftige iranische Führung, die weiter von Hardlinern dominiert sein wird, rational entscheidet und im Landesinteresse handelt.

Echo der Zeit, 7.6.2024, 18:00 Uhr;schn

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