Für Moskau läuft der Feldzug gegen die Ukraine nicht wie geplant. Nach gut 400 Kriegstagen steckt der Angriff fest. Der ukrainische Widerstand ist dank westlicher Unterstützung ungebrochen.
Vor einer Woche kündigte Russland die Stationierung taktischer Nuklearwaffen in Belarus an. Der Schritt hat militärisch kaum Bedeutung, er ist vor allem eine Drohung.
Seit dem Höhepunkt des Kalten Kriegs war das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes nicht mehr so hoch wie jetzt.
Die UNO zeigt sich im Sicherheitsrat äusserst besorgt: «Seit dem Höhepunkt des Kalten Kriegs war das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes nicht mehr so hoch wie jetzt», mahnt die UNO-Beauftragte für Abrüstungsfragen, Izumi Nakamitsu, im Sicherheitsrat. Der fehlende Dialog und die Aushöhlung der Rüstungskontrolle zum einen und die gefährliche Rhetorik und versteckten Drohungen zum anderen seien die Hauptursachen für dieses existenzielle Risiko.
Rhetorik soll Hemmungen beim Westen bewirken
Der belarussische Machthaber Lukaschenko sagte am Freitag in seiner Rede zur Nation, dass er zur Sicherung der Souveränität auch Atomwaffen einsetzen würde. «Die Schurken im Ausland, die versuchen, uns zu verjagen, müssen verstehen: Wir werden vor nichts zurückschrecken, um unsere Länder, unseren Staat und unsere Völker zu schützen», so Lukaschenko.
Wladimir Putin lässt sich gleichzeitig in Moskau die neue aussenpolitische Doktrin Russlands vorstellen. Darin wird der Westen als existentielle Bedrohung beschrieben, die es mit aller Härte – und notfalls auch präventiv – zu bekämpfen gelte.
Wir werden das Recht des russischen Volkes auf Existenz und freie Entfaltung verteidigen.
Der russische Aussenminister Sergei Lawrow stellt klar, dass die Streitkräfte zur Abwehr oder Verhinderung eines bewaffneten Angriffs auf Russland und seine Verbündeten eingesetzt werden können. «Damit erklären wir unmissverständlich, dass wir das Recht des russischen Volkes auf Existenz und freie Entfaltung verteidigen werden.»
Gemäss SRF-Russlandkorrespondent Christof Franzen will Moskau mit der Atomwaffendrohung den Menschen im Westen Angst machen. Es gehe Putin darum, die europäischen Regierungen «dazu zu bringen, dass sie weniger Waffen liefern – vor allem keine kriegsentscheidenden.» Im Rückblick könne man durchaus sagen, dass der Kremlchef damit auch einen gewissen Erfolg gehabt hat.
Weder Kriegseuphorie noch Kriegsmüdigkeit
Franzen stellt zudem fest, dass es bei den Russinnen und Russen noch zu keiner Kriegsmüdigkeit gekommen sei: «Gemäss Umfragen sind es nach wie vor 70 Prozent der Bevölkerung, die diese sogenannte Spezialoperation unterstützen. Eine Zahl, die mir glaubhaft scheint.»
Die Propaganda sei immer noch omnipräsent und sehr aggressiv. «Wenn ich mit Menschen in Sibirien, im Kaukasus, im Ural, in Moskau spreche, höre ich von allen die gleichen Sätze, die im staatlichen Fernsehen gesagt werden», erklärt Franzen.
Die Leute sagen sich: Unsere Jungs, die müssen wir unterstützen, egal wer den Krieg angefangen hat.
Die Hunderttausenden von Männern, die mobilisiert wurden, würden nun auch die Unterstützung für den Krieg in der Ukraine hochhalten. «Die Leute sagen sich: Unsere Jungs, die müssen wir jetzt einfach unterstützen, egal wer den Krieg angefangen hat.» Von einer Kriegseuphorie könne jedoch nicht die Rede sein.