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«Öko-Regelungen» für Landwirte EU-Staaten einigen sich auf Reform der Agrarpolitik

  • Die EU-Staaten haben sich auf eine Reform der milliardenschweren Agrarpolitik geeinigt.
  • Laut der EU-Kommission sollen die Staaten mehr Freiheiten bekommen, wie sie nachhaltige Ziele erreichen wollen.
  • Zudem sollen Staaten eigene «Öko-Regelungen» anbieten, die über die verpflichtenden Vorgaben hinausgehen.
  • Bei deren Erfüllung erhalten Landwirtschaftsbetreiber zusätzliches Geld.

Nach fast zweitägigen Verhandlungen unter der Leitung der deutschen Bundeswirtschaftsministerin Julia Klöckner einigten sich die Agrarministerinnen und -minister der Mitgliedstaaten auf einen Kompromissvorschlag der EU-Ratspräsidentschaft.

Die Bundeslandswirtschaftsministerin bei den Verhandlungen
Legende: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) leitete die Verhandlungen. Keystone

Mehr Freiheiten für die Staaten

Bei der Agrarreform geht es um Hunderte Milliarden Euro – die Landwirtschaft ist der grösste Budgetposten der EU. Viele Landwirtinnen und Landwirte sind von den Direktzahlungen abhängig und fürchten gleichzeitig zu hohe Umweltauflagen.

Die EU-Kommission hatte 2018 eine umfassende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für die Jahre 2021-2027 vorgeschlagen. Die nächsten zwei Jahre gelten nun als Übergangsphase. Neue Regeln würden erst 2023 in Kraft treten.

Keine kohärente Politik in Sicht

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Bei der EU-Agrarreform gehe es um nichts weniger als einen Systemwechsel, sagt SRF-EU-Korrespondent Charles Liebherr. «Die EU-Agrarpolitik wird neu ausgerichtet. Das wichtigste ist dabei, dass es künftig konkrete Umweltauflagen an Bäuerinnen und Bauern geben wird.» Dabei habe sich der EU-Rat mit 20 Prozent Anteil der Direktzahlungen bloss auf einem tiefen gemeinsamen Nenner geeinigt, so der Korrespondent. Damit sei auch angesichts der umstrittenen Klimaziele der EU keine kohärente Politik auszumachen: Schliesslich sei die Landwirtschaft für 40 Prozent des CO2-Ausstosses der EU verantwortlich, so Liebherr. «Da sind noch enorme Widersprüche zu lösen.» Es gebe noch sehr viel Gesprächsbedarf zwischen dem EU-Rat, EU-Kommission und dem Europäischen Parlament.

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollen die Staaten unter anderem mehr Freiheiten bekommen, wie sie vorgegebene, nachhaltige Ziele erreichen wollen. Dazu gehören Erhaltung der Natur, Klimaschutz und Sicherung der Lebensmittelqualität.

Die Staaten sollen dazu jeweils nationale Pläne erstellen, die von der EU-Kommission genehmigt werden müssten.

20 Prozent der Direktzahlungen für Umweltvorgaben reserviert

Die Staaten sollen ausserdem Umweltvorgaben anbieten, die über die verpflichtenden Anforderungen hinausgehen. Erfüllen Landwirtinnen und -wirte diese, würden sie mehr Geld erhalten.

Darüber, ob die Länder dazu verpflichtet sein sollen, diese «Eco-Schemes» anzubieten, und wie viel Geld sie dafür reservieren sollten, wurde bis zuletzt diskutiert. Der Kompromiss sieht nun vor, dass die EU-Staaten 20 Prozent der Direktzahlungen dafür reservieren müssen – inklusive zweijähriger Lernphase.

Auch das Europaparlament hatte sich auf zentrale Punkte der Reform verständigt. Dessen Meinung nach sollen mindestens 30 Prozent der Direktzahlungen für Umweltvorgaben reserviert sein.

Das Europaparlament wird in dieser Woche seine endgültige Linie festlegen. Anschliessend könnte das Europaparlament gemeinsam mit der EU-Kommission Verhandlungen aufnehmen.

Scharfe Kritik von Umweltschutz-Verbänden

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Umweltschützerinnen und Umweltschützer üben scharfe Kritik an der Reform der EU-Agrarpolitik. Die Reform werde zur «Katastrophe für Natur- und Klimaschutz», teilte der WWF nach Abschluss der Verhandlungen mit. «Der EU-Agrarrat setzt seine zerstörerische Subventionspolitik zugunsten grosser Agrarkonzerne fort», die Positionierung der Staaten sei «desaströs», sagte der Naturschutzvorstand der Umweltorganisation, Christoph Heinrich.

Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken kritisierte die Ministerinnen und Minister: Statt entschieden gegen Hofsterben, Artenverlust und die Klimakrise vorzugehen, betrieben viele von ihnen «Klientelpolitik für Grossbetriebe und Agrarwirtschaft zulasten bäuerlicher Familienbetriebe und der Umwelt.»

Diesen Vorwurf richtete er auch an die deutsche Bundesministerin Julia Klöckner (CDU), die die Verhandlungen im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft geleitet hatte.

SRF 4 News, 21. Oktober 2020, 06:30 Uhr ; 

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