100 Kilometer nordwestlich der Shetlandinseln darf eine norwegische Firma nach Öl bohren. Die zuständige britische Aufsichtsbehörde hat ihre Zustimmung für Pläne zur Ausbeutung eines Ölfelds auf dem Grund der Nordsee gegeben.
Rosebank gilt als grösstes bisher unerschlossenes Ölfeld in britischen Gewässern. Dort könnten künftig nach Angaben der beteiligten Unternehmen 69'000 Barrel Öl pro Tag gefördert werden. Der britischen Aufsichtsbehörde zufolge stehen die Pläne zur Ausbeutung des Ölfelds im Einklang mit dem Ziel Grossbritanniens, bis 2050 klimaneutral zu werden.
Klimaschützer und Umweltaktivistinnen kritisieren die Pläne als unverantwortlich. Die konservative Regierung von Rishi Sunak argumentiert jedoch, die Nutzung heimischer Ressourcen sei notwendig, um die Energieversorgung während des Übergangs zu erneuerbaren Energien zu sichern.
Wirtschaftsfreundlicher Kurs vor Wahlen
Für SRF-Korrespondent Patrik Wülser beeinflussen jedoch auch die Wahlen vom nächsten Jahr den Entscheid der Regierung in London. Eben erst schwächte der Premierminister Sunak die britischen Klimaziele ab, jetzt setzt er auf fossile Energieträger.
Derzeit scheine dieser wirtschaftsfreundliche Kurs zu funktionieren, schätzt Wülser. «Der bislang höfliche Technokrat Sunak hat in den vergangenen Wochen einen Wandel vollzogen: Er gebärdet sich als Macher und konservativer Hardliner.»
Er versucht damit offenkundig, seine Wählerschaft zu überzeugen – und das durchaus mit Erfolg: «Mit seinem Entscheid von letzter Woche, die Übergangfrist für Benzin- und Dieselfahrzeuge zu verlängern, konnte er in Umfragen Terrain gutmachen», so Wülser.
Kritik an «Umwelt-Vandalismus»
Doch aus Medien und Politik gibt es harsche Kritik. Die Grünen-Abgeordnete im britischen Unterhaus, Caroline Lucas, bezeichnete die Entscheidung als «grössten Akt von Umwelt-Vandalismus in meiner Lebenszeit».
Im britischen Blätterwald fallen die Reaktionen unterschiedlich aus. «Das Rosebank-Projekt hat das Potenzial, 500 Millionen Barrel Öl zu fördern, die bei ihrer Verbrennung die gleiche Menge Kohlendioxid ausstossen würden wie der Betrieb von 56 Kohlekraftwerken in einem Jahr», schreibt etwa der britische «Guardian». Dadurch werde die Glaubwürdigkeit des Landes bei künftigen Klimaverhandlungen untergraben. Der konservative «Daily Telegraph» prophezeit wiederum, dass Grossbritannien dank dem Ölfeld Milliarden an Steuereinnahmen generieren wird.
Lokale Bevölkerung gespalten
Wülser war erst vergangene Woche auf den Shetlandinseln in der Nordsee. Der subarktische Archipel ist seit Jahrzehnten von der Ölindustrie abhängig und profitiert auch davon. «Strassen und Schulhäuser sind in diesem nördlichsten Zipfel des Königreichs massiv solider und auch weniger brüchig als in manchem Quartier hier in London», berichtet der SRF-Korrespondent.
Doch das Öl habe auch zu Kollateralschäden geführt und spalte die Bevölkerung. Ein verheerendes Tankerunglück vor dreissig Jahren ist den Menschen auf den Shetlandinseln noch immer in Erinnerung. Und auch beim jüngsten Rosebank-Entscheid der britischen Regierung werde die Zerrissenheit der Menschen auf den Shetlandinseln spürbar, schliesst Wülser. Letztlich sei für sie aber auch klar, dass vorab die norwegischen Betreiber des Ölfelds profitieren würden.