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Oberflächliche Normalität in Österreich
Aus Echo der Zeit vom 20.06.2019. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 7 Sekunden.

Österreich nach dem Skandal «Im Wahlkampf wird die Polarisierung wieder zunehmen»

Das Ibiza-Video hat Österreichs Regierung ziemlich durchgeschüttelt. Das war Mitte Mai. Seither scheint es ruhig geworden zu sein.

Vor einem Monat löste in Österreich ein Video – heimlich gedreht auf Ibiza – eine Staatskrise aus. Darin stellte Vizekanzler Heinz-Christian Strache einer angeblichen russischen Investorin Staatsaufträge für Wahlkampfhilfe in Aussicht. Er musste zurücktreten. Die Regierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz wurde gestürzt und durch eine Expertenregierung ersetzt. Laut Journalistin Daniela Kittner herrscht nun politischer Ausnahmezustand.

Daniela Kittner

Journalistin

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Daniela Kittner ist Inlandchefin bei der österreichischen Tageszeitung «Kurier».

SRF News: Man hat den Eindruck, Österreich sei zur Tagesordnung übergegangen, fast als sei nichts geschehen. Stimmt dieser Eindruck?

Daniela Kittner: Oberflächlich betrachtet schaut es wirklich ein bisschen nach Normalität oder nach Ruhe aus. Langsam breitet sich Urlaubsstimmung aus. Aber es ist natürlich alles weit entfernt von Normalität. Eine Expertenregierung, die überhaupt nichts zu sagen hat, und ein Parlament, das Beschlüsse fasst, die man nicht einschätzen kann, oder die wie eine Art österreichisches Politroulette zustande kommen – das alles ist natürlich alles andere als Normalität, das ist eher ein politischer Ausnahmezustand.

Die letzten Jahre waren geprägt von einer starken Polarisierung. Wie ist es, wenn sich die Regierung einmal nicht den Parteien verpflichtet fühlt?

Es gibt gewisse freie Spielerkräfte im Parlament. Das führt zu wechselnden Koalitionen. Dadurch nimmt die Polarisierung, die tatsächlich vorhanden ist, etwas ab. Aber im Wahlkampf wird die Polarisierung wieder zunehmen.

Die Sozialdemokraten haben einen massiven taktischen Fehler gemacht, indem sie Kurz abgewählt haben.

Es gibt ein starkes rechtes Lager in Österreich, das immer noch in der Mehrheit ist, repräsentiert von der FPÖ und Sebastian Kurz' ÖVP. Und im linken Lager gibt es neben der SPÖ noch die Neos. Das sind die Liberalen, die immer den Linken zugeordnet werden, obwohl sie keine linke Partei sind.

Ende September sind Wahlen. Man sagt, der abgewählte Kurz und seine ÖVP würden diese klar gewinnen. Warum sind die Prognosen so klar?

Kurz' Gegner, in erster Linie die Sozialdemokraten, haben einen massiven taktischen Fehler gemacht, indem sie ihn abgewählt haben. Er ist jetzt völlig aussen vor. Er kann Wahlkampf machen. Wenn zum Beispiel Sondersitzungen des Nationalrats beantragt werden, tangiert ihn das nicht. Und zudem hat die SPÖ den Fehler gemacht, nicht zu begründen, warum sie ihn abwählte.

Strache
Legende: Die Partei des ehemaligen Vizekanzlers Österreichs Heinz-Christian Strache, die FPÖ, hofft bei den Wahlen im September auf einen Wähleranteil von rund 20 Prozent. Keystone

Denn es war nicht Kurz auf dem Ibiza-Video, sondern Strache von seiner Koalitionspartnerin, der FPÖ. Er hat daraus die Konsequenzen gezogen und den Vizekanzler rausgeworfen – ebenso den umstrittenen Innenminister Herbert Kickl. Dies hat Kurz einen massiven Popularitätsschub verpasst.

Die Rechtsnationalisten von Heinz-Christian Strache sehen sich als Opfer eine Verschwörung. Wird diese Opferhaltung Stimme bringen im Herbst?

Dass sie im Vergleich zur letzten Nationalratswahl zulegen, glaube ich nicht. Aber sie holten letztes Mal 26 Prozent. Nach der neuesten Umfrage sind sie auf 18 Prozent abgerutscht. Ihr eigenes Wahlziel lautet, wieder eine Zwei vorn zu haben. Sie rechnen selber damit, dass sie Federn werden lassen müssen, aber anders als 2002. Damals gab es auch schon eine schwarz-blaue Koalition, die auseinanderbrach. Damals brach die FPÖ von 27 auf zehn Prozent ein. Diesmal ist die Ausgangslage 26 Prozent, aber auf zehn wird sie nicht abstürzen. Ich vermute, dass sie die 20 vielleicht wirklich knapp erreichen können.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

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