Nach monatelangem Ringen gab es am Montag in New York einen Durchbruch: Erstmals seit Kriegsbeginn fordert der UNO-Sicherheitsrat eine sofortige Waffenruhe in Gaza. Auch, weil der Geduldsfaden von Israels engstem Verbündeten allmählich zu reissen droht: Die USA legten kein Veto ein.
Verstimmungen zwischen Tel Aviv und Washington
Aus Ärger, dass die Amerikaner der Resolution zum Erfolg verhalfen, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu eine Delegationsreise nach Washington in letzter Minute ab. Die US-Regierung reagierte irritiert und bemühte sich gleichzeitig darum, die Israelis zu besänftigen und die Bedeutung der Sicherheitsrats-Resolution herunterzuspielen.
«Es handelt sich um eine nicht bindende Resolution, die keinerlei Auswirkungen auf Israel und dessen Fähigkeit hat, weiterhin gegen die Hamas vorzugehen», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby.
Dabei sind Resolutionen des Weltsicherheitsrats sehr wohl völkerrechtlich bindend. Generalsekretär António Guterres forderte denn auch, die Resolution müsse umgesetzt werden. «Ein Scheitern wäre nicht zu verzeihen», mahnte er auf der Plattform X.
Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant kündigte postwendend an, die Kämpfe würden fortgeführt: «Es wäre moralisch nicht vertretbar, den Krieg zu stoppen, während noch immer Geiseln in Gaza festgehalten werden.»
«Die israelische Regierung will den Krieg so lange fortsetzen, bis die Hamas völlig zerschlagen ist», schätzt Inga Rogg, freie Journalistin in Jerusalem. Im öffentlichen Diskurs in Israel divergieren die Positionen aber durchaus – je nach politischem Lager der Kommentatoren.
«Auf der linksliberalen Seite wertet man die Resolution als Zeichen der verfehlten Politik des Ministerpräsidenten», berichtet Rogg. Der Tenor: Netanjahu treibe Israel in die Isolation. Im rechten Lager würden dagegen Forderungen laut, dass Israel Konsequenzen im Verhältnis zu den USA ziehen soll.
Netanjahu ist von seinem Weg abgekommen. Er stellt sein politisches Überleben über die Interessen Israels.
Auch in den USA wächst der Unmut. Chuck Schumer, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, forderte die Israelis vergangene Woche auf, die Regierung abzuwählen: «Netanjahu ist von seinem Weg abgekommen. Er stellt sein politisches Überleben über die Interessen Israels», erklärte der hochrangigste jüdische Politiker in Washington.
Auf offene Konfrontation zu den USA dürfte Israel indes nicht gehen. «Ohne die Unterstützung der Amerikaner könnte es diesen Krieg nicht fortsetzen», sagt Rogg. «Es ist auf die Waffenlieferungen aus Washington angewiesen. Zudem hat Israel in Präsident Biden einen der stärksten Unterstützer, den es sich wünschen kann.»
Umstrittene Grossoffensive
In Israel wird Netanjahu vorgeworfen, einen Sturm im Wasserglas zu provozieren, um sich innenpolitisch als starker Mann zu inszenieren. Gleichzeitig gibt es im rechten Lager Forderungen, dass die hochumstrittene Grossoffensive auf Rafah sofort begonnen werden soll. Dort haben sich Hamas-Kämpfer verschanzt, dorthin sind aber auch Hunderttausende von Palästinensern geflohen.
Auch die US-Regierung warnt Israel vor einer grossangelegten Bodenoffensive in der an Ägypten grenzenden Stadt. Dass die Warnrufe gehört werden, ist unwahrscheinlich. «Es sei denn, die USA lassen den Worten Taten folgen – etwa, indem sie Waffenlieferungen einstellen», schliesst Rogg.