Das Wichtigste in Kürze
- Bürgern westlicher Länder, die vor Liberalismus, politischer Korrektheit und Gottlosigkeit in ihrer Heimat fliehen, will Ungarns Premier Orban in seinem Land Zuflucht gewähren.
- In seiner Rede schalt Orban auch die westlichen Medien und internationalen Menschenrechtsorganisationen. Sie würden die Nationalstaaten untergraben.
- Italien bringt indessen Massnahmen auf den Weg, um die Asylverfahren zu verkürzen.
- 18 dauerhafte «Rückführungszentren» im ganzen Land sind geplant.
Der für seine flüchtlingsfeindliche Politik bekannte ungarische Ministerpräsident Viktor Orban kann sich nun doch Asylsuchende vorstellen, die sein Land willkommen heissen würde: Bürger westlicher Länder, die vor Liberalismus, politischer Korrektheit und Gottlosigkeit in ihrer Heimat fliehen.
«Die wahren Flüchtlinge werden wir natürlich aufnehmen», sagte Orban in seiner jährlichen Rede an die Nation in Budapest. Und er blieb auch keine Antwort schuldig auf die Frage, wen er damit genau meint: «Jene schreckerfüllten deutschen, holländischen, französischen, italienischen Politiker und Journalisten, jene zum Verlassen ihrer Heimat gezwungenen Christen, die ihr Europa in der eigenen Heimat verloren haben, werden es bei uns wiederfinden», betonte der rechtskonservative Politiker aus.
In seiner Ansprache geisselte Orban auch die liberalen Medien und die internationalen Menschenrechtsorganisationen. Diese würden ein «weltumspannendes Netz» spinnen, um «Hunderttausende Migranten» in Europa «anzuliefern». Damit würden diese Kräfte die traditionellen Nationalstaaten zerstören wollen.
Attila Juhasz, Beobachter der ungarischen Politik und geschäftsführender Direktor des Budapester Think-Tanks Political Capita sagte zur Ansprache des Premiers: «Orbans Rede fügte sich in jenen nationalistischen, populistischen neo-rechten Trend ein, dem sich der Ministerpräsident selbst zurechnet», sagte er dem Nachrichten-Portal «hvg.hu».
Italien beschleunigt Asylverfahren
Die von Orban gescholtene italienische Regierung hatte zuvor eine Reihe neuer Massnahmen für schnellere Asylverfahren und die Rückkehr von Flüchtlingen ohne Bleiberecht in deren Heimatländer beschlossen.
So werden in zwölf Gerichten gesonderte Abteilungen geschaffen, die sich mit Asylgesuchen beschäftigen und die Bearbeitung beschleunigen sollen, wie Regierungschef Paolo Gentiloni mitteilte. Zudem ist der Aufbau von 18 dauerhaften «Rückführungszentren» im ganzen Land geplant. Dort sollen höchstens 100 Menschen pro Einrichtung untergebracht werden, um eine Überfüllung zu vermeiden.
«Unser strategisches Ziel besteht darin, unsere Türen nicht zu schliessen», sagte Gentiloni. Stattdessen solle die Einwanderung umgestaltet werden – hin zu einem sicheren, geordneten Prozess, «bei dem keine Leben riskiert werden». Derzeit dauern Asylverfahren in Italiens Rechtssystem bis zu zwei Jahre.
11'200 Flüchtlinge seit Jahresbeginn
Viele Flüchtlinge kommen weiter unter Lebensgefahr mit Booten aus Libyen über das Mittelmeer, immer wieder ertrinken Menschen. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hatte am Mittwoch berichtet, das seit Jahresbeginn knapp 11'200 Migranten und Flüchtlinge über das Meer nach Europa gekommen seien. 85 Prozente von ihnen hätten in Italien EU-Boden betreten, die übrigen in Griechenland.
Im gleichen Zeitraum des Vorjahres war die Zahl mit mehr als 76 000 Menschen noch deutlich höher. 258 Menschen starben laut IOM bei der Überfahrt.