Die «Pandora Papers» enthüllen, dass Hunderte Personen weltweit Geld in Steueroasen versteckt halten. Ein Netzwerk von internationalen Journalistinnen und Journalisten war an der Recherche beteiligt. SRF-Wirtschaftsredaktorin Charlotte Jacquemart ordnet ein.
SRF: Es geht um Politikerinnen und Politiker, Staatsoberhäupter und weitere Prominente. Welches sind die bisher bekanntesten Namen?
Charlotte Jacquemart: Genannt werden vor allem Personen und Familien aus östlichen Ländern, der herrschende Clan aus Aserbaidschan zum Beispiel, aber auch der tschechische Premier Andrej Babis. Der König von Jordanien kommt ebenfalls vor. Namentlich genannt werden auch einige westeuropäische Promis, das Ehepaar Blair aus London. Im Kern geht es immer darum, dass Leute mit sehr viel Geld Firmen, sogenannte Trusts, an Orten aufbauen, an denen sie keine oder wenig Steuern zahlen und wo sie dies auch anonym tun können.
In verschiedenen Medien wird von «verurteilten Kriminellen» gesprochen, die anscheinend Steuerzahlungen vermeiden. Inwiefern enthüllt nun dieses Datenleck illegale Machenschaften?
Letztlich weiss man das nicht. Aber ich denke, die wenigsten dieser Trusts sind illegal, sondern sie stehen dort im Einklang mit der jeweiligen Gesetzgebung, wo sie sind. Es gibt Heerscharen von Treuhändern und Anwälten, die den Superreichen helfen, möglichst wenig Steuern zu zahlen. Indem sie Gesetzeslücken ausnutzen oder zumindest den gesetzlichen Spielraum maximal ausnutzen. Illegal sind diese Aktivitäten erst dann, wenn Schwarzgeld oder Geld aus kriminellen Aktivitäten, Stichwort Geldwäscherei etc., in solche Trusts gesteckt wird. Und das kann man sich sicher bei Autokraten gewisser Länder, sag ich mal vorsichtig, vorstellen. Beim Ehepaar Blair weniger.
Ich denke, die wenigsten dieser Trusts werden illegal sein, sondern im Einklang mit der jeweiligen Gesetzgebung, wo sie sind.
Und die Erfahrung mit den «Panama Papers» zeigt halt auch, dass es kaum je zu strafrechtlichen Prozessen kommt. Weil es für die Strafrechtsbehörden in den Ländern sehr aufwändig ist, Geldwäsche und Steuerhinterziehung durch solch verschachtelte Firmenkonstrukte hindurch zu verfolgen. Allerdings gab es nach den «Panama Papers» einige Rücktritte in der Politik. Island zum Beispiel. Und einige Firmen und Personen mussten Steuern nachzahlen.
Inwiefern ist die Schweiz involviert?
Eigentlich vor allem über Anwälte und Treuhänder, die bei diesen Steueroptimierungen beratend tätig sind. In der Schweiz Geld anonym in einem Trust zu verstecken, ist mittlerweile fast unmöglich geworden. Die Banken müssen ihren Klienten kennen, «Know your customer», heisst die Regel. Und die Steuerdaten werden mit der EU und den USA auch seit einigen Jahren ausgetauscht. Viel Geld, das früher in die Schweiz auf schwarze Konti floss, fliesst heute an andere Orte.
Es gab schon verschiedene Datenlecks. Was zeigen nun diese neuen «Pandora Papers»?
Etwas zynisch gesagt: Diese Papers zeigen nichts, was wir nicht schon wussten. Reiche Familien und auch Firmen versuchen, möglichst wenig Steuern zu zahlen. Das kann man moralisch verurteilen, weil damit die Allgemeinheit Geld verliert, mit dem man Schulen und Spitäler bauen könnte. Ich glaube aber, dass diese Papers trotzdem etwas bringen, weil den Steueroptimierern bewusst wird, dass sie heute unter viel mehr Beobachtung stehen als früher, dass man sie eben dank diesem Datenjournalismus öffentlich anprangern kann. Und das ist immerhin unangenehm und kann einem Politiker, einer Politikerin auf jeden Fall in der westlichen Welt auch einmal die Karriere kosten.
Das Gespräch führte Claudia Weber.