Darum geht es: Die Linkspartei La France Insoumise des geschlagenen linken Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon und die Grünen wollen bei den Parlamentswahlen im Juni gemeinsam antreten. Beobachter rechnen damit, dass in Kürze auch Kommunisten und Sozialisten dem Parteienbündnis beitreten werden. Das Ziel ist klar: Bei der Parlamentswahl eine linke Mehrheit in der Nationalversammlung erringen, um den Premierminister stellen zu können – als Gegengewicht zum wiedergewählten Präsidenten Emmanuel Macron, der für eine liberale Politik der Mitte steht.
Die Präsidentenwahl war für die Linke sehr frustrierend.
Deshalb kommt das Bündnis überraschend: Noch bei der im April abgehaltenen Präsidentenwahl traten die linken Parteien einzeln an – sie konnten sich nicht auf eine gemeinsame Kandidatin oder einen Kandidaten einigen. Hätte sich die französische Linke aber hinter Mélenchon gestellt, wäre dieser zumindest anstelle der rechtsextremen Marine Le Pen in den zweiten Wahlgang gegen Macron gekommen. «Das war für die Linke sehr frustrierend», sagt Rudolf Balmer, NZZ-Korrespondent in Paris. Wider allgemeinen Erwartens kommt nun also das linke Zusammengehen für die Parlamentswahl zustande.
So stehen die Chancen für die Linke: Bereits wird im links-grünen Lager kalkuliert, in welchem Wahlkreis ein Kandidat, eine Kandidatin gegen jene von Macrons Bewegung En Marche eine Chance haben könnte. «Es ist durchaus möglich, dass eine vereinigte Linke bei der Wahl eine neue Dynamik schafft», sagt dazu NZZ-Korrespondent Balmer. Viele linke Wählerinnen und Wähler hätten bei der Präsidentenwahl aus Frustration für die rechtsextreme Le Pen eingelegt. «Sie könnten ihre Meinung jetzt ändern», so Balmer. Deshalb sei der Wahlausgang bei der Parlamentswahl völlig offen.
Das ist das linke Programm: La France Insoumise und die Grünen haben sich auf einen minimalen Konsens eines Wahlprogramms geeinigt: Das Pensionsalter soll wieder auf 60 Jahre gesenkt, der Mindestlohn auf 1400 Euro netto erhöht werden. Ausserdem sollen die Preise für gewisse Konsumgüter staatlich festgelegt werden. Auch sollen die AKW-Pläne Macrons zum Bau von 14 neuen Atomreaktoren durchkreuzt werden. «Das ist ein Programm, das bei der linken Wählerschaft durchaus ankommt», sagt NZZ-Korrespondent Balmer. Viele Streitpunkte gebe es innerhalb der Linken jedoch beim Thema Europäische Union.
Dieses Wahlprogramm kommt bei der linken Wählerschaft durchaus an.
Das riskiert Präsident Macron: Der wiedergewählte Präsident muss zumindest mit einer starken linken Opposition im Parlament rechnen, womöglich gar mit einer fünfjährigen Amtszeit einer sogenannten Cohabitation – einer oppositionellen Regierung. Denn die Regierung wird in Frankreich vom Parlament, also der Nationalversammlung gewählt, der Präsident hat bloss ein Vorschlagsrecht für den Premierminister. Letztmals gab es diese Konstellation ab 1986 unter dem sozialistischen Präsidenten François Mitterand und ab 1997 unter dem bürgerlichen Präsidenten Jacques Chirac. Immerhin: «Das hat damals recht gut funktioniert und war im Volk auch durchaus populär», stellt Balmer fest.