Dreimal in knapp einem Jahr haben die israelischen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gewählt. Im April 2019 gewann Premierminister Netanjahu knapp – es gelang ihm nicht eine Regierung zu bilden. Im September 2019 gewann sein Herausforderer Benny Gantz knapp. Beim dritten Mal heisst der Sieger wieder Benjamin Netanjahu.
«Die Ideen von Premierminister Benjamin Netanjahu sind nicht so anders als die unserer Partei», sagte ein Anhänger von Benny Gantz an einer Wahlveranstaltung in Tel Aviv gegenüber SRF. Das war zwei Tage vor den Wahlen.
Aktivismus nützte nichts mehr
Am Wahltag selbst merkte die Partei des Netanjahu-Herausforderers plötzlich: In Gantz-Hochburgen wie Tel Aviv war die Stimmbeteiligung tief. In einer eilig einberufenen Telefonkonferenz instruierte die Parteizentrale ihre Parlamentsabgeordneten am frühen Abend, auszuschwärmen und bis zur Schliessung der Wahllokale um 22 Uhr Lokalzeit Präsenz zu markieren.
Wenn jedoch selbst die eigene Basis findet, ihr Kandidat unterscheide sich kaum vom amtierenden Premierminister, nützt auch Aktivismus in letzter Minute nichts mehr. Hatte Gantz im September 2019 noch einen Knesset-Sitz mehr geholt als Netanjahu, überholte ihn dieser in der Wahlnacht – allen Umfragen zum Trotz. Eine Mehrheit stimmte für das Original, für «Bibi» Netanjahu, und nicht für die Kopie Benny Gantz.
«Bibi muss weg!» ist kein Programm
«Wir schicken Bibi nach Hause!», versprach Benny Gantz im Wahlkampf immer wieder. Nur: als Wahlprogramm reicht das nicht, wenn es inhaltlich kaum Unterschiede gibt zum Programm seines Gegners. Netanjahu will das Jordantal annektieren. Gantz auch – aber in Absprache mit der internationalen Gemeinschaft. Für Netanjahu ist Israel ein jüdischer Staat, und die arabischen Staatsbürger sind grundsätzlich Feinde. Auch für Gantz ist Israel ein jüdischer Staat, in dem die arabischen Staatsbürger zwar nicht direkt Feinde sind. Aber sie in die Regierung holen will er sicher nicht.
Wer Israeli angreift, den bestraft Netanjahu umgehend mit Vergeltungsschlägen: in Gaza oder in Syrien zum Beispiel. In seinem allerersten Wahlkampfvideo 2019 brüstete sich Gantz damit, wie er als Feldherr den Gazastreifen «zurück in die Steinzeit» bomben liess.
Als US-Präsident Trump seinen umstrittenen Nahostfriedensplan vorstellte, lobte ihn auch Gantz. Aber Netanjahu war der Mit-Architekt des Plans, Gantz nur Mitfahrer. Das Programm gibt Netanjahu vor, Gantz ist fast immer einverstanden, und sagt dann doch: «Netanjahu muss weg!» Das ist kein überzeugendes Wahlprogramm. Auch nicht, wenn Gantz das mit Netanjahus Korruption begründet.
Sieg für Netanjahu – und jetzt?
In zwei Wochen beginnt der Gerichtsprozess gegen Premierminister Netanjahu. Er muss sich wegen mutmasslicher Korruption verantworten. Seine Basis hat sich deswegen nicht von ihm abgewandt. Im Gegenteil. «Wir wollen keine Diktatur der Gerichte», sagte eine Netanjahu-Wählerin am Fernsehen vor seiner Siegesfeier. Der Premierminister hat die Gerichte in seinem Wahlkampf verunglimpft, und versprochen, sie an die Kandare zu nehmen.
Einem Teil der israelischen Bevölkerung machen Netanjahus Angriffe auf die demokratischen Institutionen des Landes Angst. Aber die berechtigte Angst vor Raketenangriffen aus Gaza, dem Libanon, Syrien oder Iran ist stärker. Netanjahu hat gezeigt, dass er solche Angriffe kontern kann.
Das kann der Herausforderer und Ex-Armeechef Gantz zwar auch. Aber Israel wirklich schützen, das könne nur «Bibi», finden die meisten Israeli. Noch wird ausgezählt, noch ist auch nicht sicher, ob Netanjahu eine Regierung wird bilden können, oder ob es bald schon wieder zu vorgezogenen Neuwahlen kommt. Für Netanjahu war es trotzdem eine Siegesnacht.
SRF 4 News, 03.03.2020, 02:00 Uhr