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Indien: viele Kandidierende mit kriminellem Hintergrund
Aus Echo der Zeit vom 29.05.2024. Bild: Keystone/ RAJESH KUMAR SINGH
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Parlamentswahlen In Indien ist jeder fünfte Kandidierende kriminell

Ein Fünftel der Kandidaten und Kandidatinnen, die bei der Parlamentswahl in Indien antreten, hat einen kriminellen Hintergrund. Haupterklärung dafür ist laut politischen Beobachtern, dass Kriminelle viel Geld in den politischen Kampf stecken können. Davon profitierten politische Parteien.

20 Prozent aller 8337 Kandidatinnen und Kandidaten, die derzeit um einen Sitz im Parlament ringen, sind wegen krimineller Aktivitäten angeklagt. Viele wegen kleinerer Delikte, 40 aber auch wegen Mordes, Hunderte weitere wegen versuchten Mordes und Gewalt. Die Datenanalyse stammt von der Association for Democratic Reforms in Delhi, einer Vereinigung von kritischen Professorinnen und Professoren. Der Anteil Krimineller in der indischen Politik steigt seit Jahren.

Mutmasslicher Mörder und politisches Schwergewicht

Da ist etwa Afzal Ansari. Der Politiker aus dem Bundesstaat Uttar Pradesh kämpft gerade um einen Sitz im Parlament. In wenigen Tagen wird in seinem Bezirk gewählt.

Ansari gilt als politisches Schwergewicht. Doch wenn er Pech hat, landet er vorher im Gefängnis. Ansari soll an der Entführung und Ermordung eines politischen Konkurrenten beteiligt gewesen sein. Dass er trotzdem kandidiert, ist keine Ausnahme in Indien.

Es hat sich nichts geändert über die Jahre.
Autor: Jagdeep Chhokar Mitgründer der Vereinigung von kritischen Professoren

Er sei traurig über das Ergebnis, sagt Jagdeep Chhokar, Mitgründer der Vereinigung. Der Anteil krimineller Kandidaten habe von Wahl zu Wahl sogar noch zugenommen.  Trotz aller Ermahnungen der Zivilgesellschaft und des Obersten Gerichtshofs stellten die politischen Parteien weiterhin Kriminelle auf. «Es hat sich nichts geändert über die Jahre.»

(K)eine echte Wahl

Bei den grössten Parteien – der oppositionellen Congress-Partei und der hindu-nationalistischen Regierungspartei BJP – ist der Anteil von dubiosen Kandidatinnen und Kandidaten sogar deutlich höher als beim Durchschnitt: 44 respektive 43 Prozent.

Die Parteien argumentieren, dass sie diese Leute zwar aufstellten, die Entscheidung aber bei den Wählerinnen und Wählern liege. Jagdeep Chhokar setzt dem entgegen, dass die rund 970 Millionen Wahlberechtigten in Indien keine echte Wahl hätten.

Zwei Männer halten eine Pressekonferenz vor Mikrofonen.
Legende: Jagdeep Chhokar (rechts) im März an einer Pressekonferenz. IMAGO / Hindustan Times

 «In jedem Wahlkreis gibt es nur zwei oder drei wählbare Kandidaten. Wenn die alle wegen krummer Machenschaften angeklagt sind, bleiben den Wählerinnen und Wählern nichts anderes übrig, als für sie zu stimmen – oder gar nicht zu wählen», sagt er.

Sie haben Geld und schüchtern ein

 Auf die Frage, warum die Parteien so viele Kriminelle oder potenziell Kriminelle aufstellten, gibt der Professor eine interessante Antwort: Sie seien etwa deshalb so begehrt, weil sie viele nützliche Ressourcen in den Wahlkampf einbrächten. Neben dem vielen Geld auch die Fähigkeit, andere einzuschüchtern, inklusive Konkurrentinnen und Konkurrenten – beste Voraussetzungen, um gewählt zu werden.

Geld ist über die Jahre eine zunehmend wichtige Komponente indischer Wahlkämpfe geworden. Die aktuelle Wahl dürfte die teuerste aller Zeiten werden – weltweit. Je mehr Geld – aus welcher Quelle auch immer – ein Kandidat oder eine Kandidatin selbst in den Wahlkampf einbringt, desto besser sind seine oder ihre Chancen, gewählt zu werden. Das macht sie für Parteien attraktiv.

Menschen stehen in einer Schlange vor einem Wahllokal.
Legende: Inder und Inderinnen können noch bis Ende Monat ihr Parlament wählen. REUTERS/Bhawika Chhabra

Jagdeep Chhokar hat wenig Hoffnung, dass sich etwas zum Besseren verändert. «Es ist zwar nicht unmöglich. Aber da das Parlament selbst an Veränderungen offensichtlich kein Interesse hat, liegt der Ball beim Obersten Gerichtshof.» Das Gericht könnte angeklagten Kandidatinnen und Kandidaten verbieten, an der Wahl teilzunehmen. Aber dafür brauche es viel Mut.

Echo der Zeit, 30.06.2024;kesm ; 

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