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Parlamentswahlen in Jordanien Ein Königreich liebäugelt mit der Demokratie

Jordanien wählt ein neues Parlament. Es sind die ersten Wahlen, seit König Abdullah II einen Demokratisierungsprozess im Land gestartet hat. Politische Veränderungen im Königreich sind aber kaum in Sicht.

Wahlen in Jordanien waren bis anhin stark von der Stammeskultur im Land geprägt. Das zeigt auch die aktuelle Sitzordnung im Parlament: Nur gerade 12 der 138 Abgeordneten gehören bis anhin einer Partei an. «Das Parlament war wie eine Vereinigung von Ombudspersonen», sagt Edmund Ratka von der deutschen Konrad Adenauer Stiftung in Amman.

Demokratisierungsprozess in Jordanien

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Vor zwei Jahren hat der jordanische König einen Demokratisierungsprozess gestartet. Dafür wurde die Zahl der Sitze im Parlament erhöht und das Mindestalter der Kandidaten gesenkt. Zudem sollen Parteien eine wichtigere Rolle übernehmen.

Langfristig soll das Königreich offenbar zu einer parlamentarischen Monarchie werden, in der zum Beispiel das Parlament die Regierung wählt. Dies ist im Moment nicht der Fall, die jordanische Regierung wird vom König bestimmt, und dabei muss er die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse nicht unbedingt übernehmen.

Doch diese Transformation soll zehn Jahre dauern und effektiv Macht abgeben will König Abdullah II bei näherem Hinsehen nicht. Denn zum Reformpaket gehört auch, dass er die Ernennung des Armeechefs oder der höchsten religiösen Führer selbst bestimmt. Bis anhin war das der von ihm eingesetzten Regierung überlassen.

Mit den Reformen will der König einerseits dem Westen ein Bild eines sich demokratisierenden Landes präsentieren und andererseits eine Art Ventil für den Unmut in der Bevölkerung schaffen, in dem die politische Verantwortung auf mehrere Schultern übertragen wird. Im Endeffekt dient der Demokratisierungsprozess dem Machterhalt des Königs.

Ein neues Wahlgesetz, welches der König vor zwei Jahren einführte, soll dies nun ändern. Erstmals werden politische Parteien mit verschiedenen Wahlprogrammen eine wichtigere Rolle spielen. Weniger Stammespolitik und mehr Sachpolitik sollen die Wahlen bestimmen. «Damit soll die politische Partizipation der Bevölkerung gefördert werden», sagt Ratka weiter.

Opposition mit pro-palästinensischer Agenda

Die Beteiligung lag bei den letzten Wahlen vor vier Jahren noch bei unter 30 Prozent. Doch ausgerechnet jetzt, wo mehr politische Programme die Wahlen entscheiden sollen, kommt ein Thema auf, das dem König wenig behagt: der Gazakrieg. «Der Krieg hat alles verändert in Jordanien», sagt etwa die 40-jährige Asma.

Plakate von Kandidaten an einem Gebäude bei Wahlkampf.
Legende: Wahlplakate in Amman: An die Parteien werden aber nur ein Drittel der Parlamentssitze direkt vergeben. SRF / Thomas Gutersohn

Sie sei nicht einverstanden mit der neutralen Position der Regierung in Bezug auf Israel und hofft, dies durch ihre Wahl zu ändern. Deshalb ging die Mutter von vier Kindern heute zum ersten Mal in ihrem Leben wählen. Und zwar die Partei der Islamischen Aktionsfront.

Islamische Aktionsfront

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Die Islamische Aktionsfront ist der politische Flügel, der vielerorts im Nahen Osten geächteten Muslimbruderschaft, die auch der Hamas nahe steht. Sie fordert unteranderem die Einführung des islamischen Rechtes in Jordanien.

Die wertkonservative Partei tritt mit einer klar pro-palästinensischen Agenda auf und bildet die stärkste Opposition im Land. Ihre Forderungen: Den Handel mit Israel stoppen, die diplomatischen Beziehungen und sogar den Friedensvertrag mit Israel auflösen, erklärt Noor Abugoush. Sie kandidiert für die Partei: «Der Gazakrieg hat die Menschen in Jordanien stärker politisiert als irgendein anderes Thema im Land», sagt Noor Abugoush.

Frau in blauem Kleid steht vor jordanischer Flagge im Büro.
Legende: Noor Abugoush will die Islamische Aktionsfront im Parlament vertreten. SRF / Thomas Gutersohn

Die vielen Proteste gegen den Krieg und die grossangelegten Boykott-Massnahmen gegen westliche Produkte seien ein Zeichen davon. Die Parteifunktionärin hofft, dass sich dieser politische Aktivismus nun auch in den Wahlurnen niederschlage und dass ihre Partei Sitze im Parlament gewinnt.

Boykott der Wahlen

Doch ist allein durch die Sitzverteilung im Parlament ein Erdrutsch-Sieg der Islamisten kaum möglich. Nicht einmal ein Drittel aller Parlamentssitze gehen direkt an die Parteien, und die meisten Parteien stehen der Regierung nahe. Dazu kommt, dass nicht jeder, der protestiert oder Produkte boykottiert, auch wählen gehen wird. Und schon gar nicht für die Muslimbrüder, welche sich nicht nur für die Palästinenser stark machen, sondern auch die Einführung des islamischen Rechts in Jordanien fordern.

Lächelnder Mann sitzt an einem Holztisch im Freien.
Legende: Der Politaktivist Saad in einem hippen Café im Zentrum von Amman: Er glaubt nicht an die Wahlen. SRF / Thomas Gutersohn

«Ich werde die Wahlen boykottieren», sagt etwa der Politaktivist Saad. Er hat einige Protestaktionen mitorganisiert. Viele der Protestierenden seien von der Polizei geschlagen, einige sogar inhaftiert worden. Das zeige, wie undemokratisch Jordanien sei. «Und nun will die Regierung, dass wir alle brav wählen gehen. Das passt nicht zusammen!»

Viele in der Protestbewegung teilen diese Ansicht und bleiben den Wahlurnen fern. Jordanien liebäugelt zwar mit der Idee, demokratischer zu werden. Es lässt aber keinen Raum für politische Auseinandersetzung.

Echo der Zeit, 10.09.2024, 18 Uhr

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