Wahlen in Jordanien waren bis anhin stark von der Stammeskultur im Land geprägt. Das zeigt auch die aktuelle Sitzordnung im Parlament: Nur gerade 12 der 138 Abgeordneten gehören bis anhin einer Partei an. «Das Parlament war wie eine Vereinigung von Ombudspersonen», sagt Edmund Ratka von der deutschen Konrad Adenauer Stiftung in Amman.
Ein neues Wahlgesetz, welches der König vor zwei Jahren einführte, soll dies nun ändern. Erstmals werden politische Parteien mit verschiedenen Wahlprogrammen eine wichtigere Rolle spielen. Weniger Stammespolitik und mehr Sachpolitik sollen die Wahlen bestimmen. «Damit soll die politische Partizipation der Bevölkerung gefördert werden», sagt Ratka weiter.
Opposition mit pro-palästinensischer Agenda
Die Beteiligung lag bei den letzten Wahlen vor vier Jahren noch bei unter 30 Prozent. Doch ausgerechnet jetzt, wo mehr politische Programme die Wahlen entscheiden sollen, kommt ein Thema auf, das dem König wenig behagt: der Gazakrieg. «Der Krieg hat alles verändert in Jordanien», sagt etwa die 40-jährige Asma.
Sie sei nicht einverstanden mit der neutralen Position der Regierung in Bezug auf Israel und hofft, dies durch ihre Wahl zu ändern. Deshalb ging die Mutter von vier Kindern heute zum ersten Mal in ihrem Leben wählen. Und zwar die Partei der Islamischen Aktionsfront.
Die wertkonservative Partei tritt mit einer klar pro-palästinensischen Agenda auf und bildet die stärkste Opposition im Land. Ihre Forderungen: Den Handel mit Israel stoppen, die diplomatischen Beziehungen und sogar den Friedensvertrag mit Israel auflösen, erklärt Noor Abugoush. Sie kandidiert für die Partei: «Der Gazakrieg hat die Menschen in Jordanien stärker politisiert als irgendein anderes Thema im Land», sagt Noor Abugoush.
Die vielen Proteste gegen den Krieg und die grossangelegten Boykott-Massnahmen gegen westliche Produkte seien ein Zeichen davon. Die Parteifunktionärin hofft, dass sich dieser politische Aktivismus nun auch in den Wahlurnen niederschlage und dass ihre Partei Sitze im Parlament gewinnt.
Boykott der Wahlen
Doch ist allein durch die Sitzverteilung im Parlament ein Erdrutsch-Sieg der Islamisten kaum möglich. Nicht einmal ein Drittel aller Parlamentssitze gehen direkt an die Parteien, und die meisten Parteien stehen der Regierung nahe. Dazu kommt, dass nicht jeder, der protestiert oder Produkte boykottiert, auch wählen gehen wird. Und schon gar nicht für die Muslimbrüder, welche sich nicht nur für die Palästinenser stark machen, sondern auch die Einführung des islamischen Rechts in Jordanien fordern.
«Ich werde die Wahlen boykottieren», sagt etwa der Politaktivist Saad. Er hat einige Protestaktionen mitorganisiert. Viele der Protestierenden seien von der Polizei geschlagen, einige sogar inhaftiert worden. Das zeige, wie undemokratisch Jordanien sei. «Und nun will die Regierung, dass wir alle brav wählen gehen. Das passt nicht zusammen!»
Viele in der Protestbewegung teilen diese Ansicht und bleiben den Wahlurnen fern. Jordanien liebäugelt zwar mit der Idee, demokratischer zu werden. Es lässt aber keinen Raum für politische Auseinandersetzung.