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Parlamentswahlen in Kosovo «Die Opposition fährt einen betont nationalistischen Kurs»

Am Sonntag wählt Kosovo ein neues Parlament. Es sind vorgezogene Wahlen, denn die Koalitionsregierung von Ramush Haradinaj ist im Juli nach weniger als zwei Jahren zerbrochen, nachdem er vom Kosovo-Tribunal in Den Haag vorgeladen wurde. Es war schon die vierte Regierung seit der Unabhängigkeit. Norbert Mappes-Niediek rechnet nicht mit mehr Stabilität nach den Wahlen.

Norbert Mappes-Niediek

Deutscher Journalist

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Norbert Mappes-Niediek ist Fachautor und langjähriger freier Korrespondent für Südosteuropa.

SRF News: Halten Sie einen Machtwechsel in Kosovo für wahrscheinlich?

Norbert Mappes-Niediek: Es ist gut möglich, dass das Wahlergebnis einen Machtwechsel herbeiführt – und zwar einen gründlichen, in dem Sinne, dass die politische Generation, die Kosovo seit 20 Jahren im Griff hat, abgelöst würde durch Leute, die sich gegen das Günstlingssystem wehren, die nicht möchten, dass Posten nach Parteizugehörigkeit vergeben werden, sondern klare Rechtsnormen gelten. Die Kosovaren haben immer wieder die Erfahrung gemacht, dass bei Regierungsbildungen alte Seilschaften zum Zuge kamen.

Was würde ein Sieg der Oppositionspartei für Kosovo bedeuten?

Die Partei der Selbstbestimmung kämpft seit ihrem Bestehen entschieden gegen die Korruption im Land. Sie fordert vehement eine unabhängige Justiz. Das ist äusserst populär in der Bevölkerung. Sollte die Partei liefern, würde das die Verhältnisse im Land ordentlich zum Tanzen bringen. Das ist nicht ohne Risiko: Sie müsste sich auch mit kriminellen Netzwerken anlegen.

Die alten Netzwerkparteien haben immer Wert auf ein gutes Verhältnis zu den Regierungen der Westmächte gelegt.

Zudem würde die Partei einen betont nationalistischen Kurs fahren. Denn die alten Netzwerkparteien haben immer Wert auf ein gutes Verhältnis zu den Regierungen der Westmächte gelegt, haben sie umgarnt, während die demokratischen Reformer die internationale Gemeinschaft scharf kritisierten.

Eine andere wichtige Kraft ist die Demokratische Liga. Ihre Spitzenkandidatin Vjosa Osmani könnte Ministerpräsidentin Kosovos werden. Was könnte sie bewirken, wenn sie an die Macht kommt?

Osmani ist Juristin, spricht perfekt Englisch und ist durch und durch westlich orientiert. Und sie hat versprochen, mit der Partei Selbstbestimmung koalieren zu wollen. Das ist ein ziemlicher Tabubruch. Gerade weil sie so westlich orientiert ist und über alle Voraussetzungen verfügt, die auch ein westlicher Regierungschef haben müsste, ist sie kritisch gegenüber der bevormundenden Politik der internationalen Gemeinschaft. Innerhalb ihrer eigenen Partei müsste sich Osmani aber erst einmal durchsetzen. Es ist noch unklar, ob sie tatsächlich als künftige Regierungschefin nominiert würde.

Eine bekannte Fernsehmoderatorin in Kosovo sagt, die Politiker seien immer damit beschäftigt, der internationalen Gemeinschaft zu gefallen. Die eigene Bevölkerung würden sie dabei vergessen. Geben Sie ihr recht?

Ja, das ist wohl so. Die westlichen Mächte haben sich immer massiv eingemischt, auch in Personalfragen. Und das war ein grosses Problem. Man hat damit die Entwicklung eines demokratischen Bewusstseins gehemmt. Und vor allem hat man die korrupten Strukturen gestützt.

So regiert man kein Land, von dem man wünscht, dass es sich irgendwann in die europäischen Strukturen integriert.

Teilweise haben die internationalen Verwalter, die bis 2008 die einzige Macht in Kosovo waren, das Land auch danach noch beherrscht, wie es englische Vize-Könige in Indien getan haben. Man hat sich mit den Maharadschas arrangiert und nicht genau hingesehen, wie diese das Land führen. Doch so regiert man kein Land, von dem man wünscht, dass es sich irgendwann in die europäischen Strukturen integriert. So regiert man eher eine ferne Kolonie.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

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