Als er 1991 erstmals Ministerpräsident geworden ist, war er der jüngste Regierungschef Europas. Die Parlamentswahlen vom Sonntag in Montenegro machen nun deutlich, dass Milo Djukanovic den Zeitpunkt für einen ehrenvollen Abgang längst verpasst hat.
Laut ersten Wahltrends kommt der 58-jährige Djukanovic mit seiner Partei der Demokratischen Sozialisten (DPS) auf knapp 35 Prozent aller Stimmen. Zu wenig, um eine Regierung bilden zu können. Die bisherigen «traditionellen» Regierungspartner sind ihm abhandengekommen.
Entweder, weil sie ihm (vorläufig) die kalte Schulter zeigen, oder weil sie den Sprung ins Parlament nicht schaffen. In Podgorica wird spöttisch darüber gerätselt, welche Partei sich der Staats- und Parteichef wohl nun kaufen wolle.
Korruption als Geschäftsmodell
Wen man wie kaufen kann, darin hat der hochgewachsene Djukanovic Übung. In den 1990er-Jahren steuert er den kleinen Küstenstaat an der Adria beinahe unbeschadet durch die Zerfall-Kriege Jugoslawiens. Den Staat finanzierte er und seine Clique mit einträglichem Zigaretten-Schmuggel. Geduldet von der internationalen Gemeinschaft – als Dank, dass sich Djukanovic gegen den damaligen serbischen Machthaber Slobodan Milosevic stellte.
Dieses Geschäftsmodell hat er im Laufe der Jahre verfeinert: Freunde und Familienmitglieder bevorteilen, Abhängigkeiten schaffen, Staatsbetriebe aushöhlen, Bereicherung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die Justiz unter Kontrolle bringen, Medienschaffende verfolgen. Kurz: Korruption.
Zugleich aber internationale Anerkennung holen, indem er Montenegro in die Unabhängigkeit und die Nato führte. Oder den Kleinstaat auf dem Weg in die EU bis zum Status des Beitrittskandidaten brachte.
Unmut über «König Milo» wächst
Staatspräsident Djukanovic führt Montenegro wie seine Privatfirma. Was nicht so schwierig ist, weil dieser Staat nur 620'000 Einwohnerinnen und Einwohner hat. Man kennt sich, ist miteinander verwandt. Fünf bis sechs grosse Familien haben ihren Einflussbereich abgesteckt, sie sprechen sich ab und kontrollieren sich zugleich. Dirigiert von «König Milo», wie er im Volk genannt wird.
Seit diesem Wahlkampf ist die Bezeichnung «König» jedoch nicht mehr liebevoll gemeint. Der Unmut in der Bevölkerung wächst. Die Arbeitslosigkeit steigt, der Einbruch im Haupteinkommenssektor Tourismus ist wegen der Coronakrise beinahe total, die Auslandsverschuldung schnellt hoch und der Streit mit der serbisch-orthodoxen Kirche über Eigentumsrechte mobilisiert die Opposition erst recht.
Unruhen drohen
Die vorwiegend pro-serbischen und teils pro-russischen Oppositionsparteien sind wohl nationalistisch, erklären aber, die Bevölkerung zu einen und nicht spalten zu wollen.
Wenn sich «König Milo» weiter an die Macht klammern will, dann wird es in Montenegro zu Unruhen kommen, das ist vorauszusehen.
Der Entscheid sich zurückzuziehen, wird Milo Djukanovic besonders schwerfallen, da die eigene Zukunft auf dem Spiel steht. Seine Amtszeit als Staatspräsident endet 2023, falls er diese übersteht.