- Bei den Parlamentswahlen in Montenegro hat Langzeit-Präsident Milo Djukanovic die Parlamentsmehrheit verloren. Seine Regierungspartei DPS verliert sechs Prozentpunkte und sechs Sitze.
- Drei verschiedene Oppositionsbündnisse errangen zusammen 41 der 81 Mandate. Ihre Spitzenvertreter kündigten an, eine gemeinsame Expertenregierung zu bilden, um damit das Ende der Ära Djukanovic einzuläuten.
Die pro-westliche DPS von Djukanovic wurde zwar auch diesmal wieder relativ stärkste Kraft. Doch selbst mit ihren potenziellen Bündnispartnern – zwei kleineren sozialdemokratischen Parteien und Listen der albanischen und bosniakischen Minderheiten – kommt die Präsidentenpartei nur auf 40 Sitze im neuen Parlament und verfehlt damit die Regierungsmehrheit.
Das Oppositionsbündnis um die pro-serbische Demokratische Front (DF) erhielt 32.55 Prozent der Stimmen und 27 Mandate, wie die staatliche Wahlkommission mitteilte. Die DF und die beiden anderen Oppositionsbündnisse, die Demokraten und der URA, errangen gemeinsam 41 der 81 Mandate.
Der 58-jährige Djukanovic herrscht seit fast 30 Jahren in unterschiedlichen Funktionen über die ehemalige jugoslawische Teilrepublik an der Adria, die 2006 unabhängig wurde. Kritiker werfen ihm Korruption und Nähe zum organisierten Verbrechen vor.
Auch die Verfolgung von unabhängigen Medien und Wahlmanipulationen werden ihm angelastet. In seiner Ära gab es bisher bei keiner Parlaments- oder Präsidentenwahl einen demokratischen Machtwechsel.
Oppositionsblöcke wollen gemeinsame Regierung
Dies könnte sich nun ändern. Trotz ihrer stark voneinander abweichenden Positionen streben die Oppositionsblöcke eine gemeinsame Regierung an. «Die beste Lösung für Montenegro wäre eine Expertenregierung», erklärte der DF-Spitzenkandidat Zdravko Krivokapic.
Die Mafia wird Montenegro nicht mehr weiter regieren.
Ähnlich äusserten sich auch die Führungspolitiker der Demokraten und der URA. «Die Menschen glauben zutiefst an diese Koalition», meinte der URA-Vorsitzende Dritan Abazovic. «Die Mafia wird Montenegro nicht mehr weiter regieren.»
Der bedrängte Präsident gab in der Wahlnacht den Führungsanspruch für seine DPS aber noch nicht auf. «Wir haben derzeit zusammen mit den traditionellen Partnern 40 Mandate», erklärte er vor Anhängern in Podgorica. «Der Kampf um eine Mehrheit im Parlament geht also weiter.» Verliert er ihn, sieht er einem unangenehmen Zusammenleben mit einer ihm feindlich gesonnenen neuen Regierung entgegen.
Djukanov polarisiert das Land
Seit der Ex-Kommunist Djukanovic in den 1990er-Jahren auf einen prowestlichen Kurs eingeschwenkt war, polarisiert er das Land. 2006 hatte er es in die Trennung von Serbien geführt, 2017 in die Nato. Seit 2012 verhandelt Montenegro über einen EU-Beitritt. Umstritten wie er ist, sicherte sich Djukanovic bei Wahlen – einerseits durch Überzeugungsarbeit, andererseits mit schmutzigen Tricks – stets die nötigen Mehrheiten, um weiterregieren zu können.
Beobachter sehen die Ursache für die Niederlage unter anderem in dem Konflikt mit gläubigen Montenegrinern, den Djukanovic mit einem neuen Kirchengesetz vom Zaun brach. Dieses droht der aus Belgrad gesteuerten, zugleich populären Serbisch-Orthodoxen Kirche mit der Enteignung ihrer Besitztümer. Das knapp vor der Jahreswende beschlossene Gesetz zog Massenproteste nach sich.