Russland zieht sich aus der internationalen Raumfahrt zurück – mit internationalen Konsequenzen. Vor allem auf europäischer Ebene gibt es grosse Einschnitte. Ein betroffenes Projekt ist die europäische Marsmission «ExoMars».
Der erste Mars Rover sollte im Herbst dieses Jahres aus Europa zum roten Planeten starten – mit Start in Russland. Zudem gebe es eine Landeeinheit, die für den Rover sehr wichtig sei, der von Russland entwickelt wurde, erklärt Karl Urban. Er ist Wissenschaftsjournalist und schreibt seit vielen Jahren über die Raumfahrt.
Diese Integrationsarbeiten sollten im März beginnen. «Mittlerweile sagt die ESA, der Start ist sehr unwahrscheinlich. Sie hat ihn offiziell noch nicht abgesagt, aber viele erwarten es.»
Weiter habe die Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt relativ schnell die bilaterale Zusammenarbeit mit Russland beendet. Das betreffe beispielsweise medizinische Experimente auf der Raumstation.
Drei Staaten im All
Derweil befinden sich auf der Internationalen Raumstation ISS eine Astronautin und sechs Astronauten aus den USA, Russland und Deutschland. Eine internationale Crew begegnet sich täglich und muss zusammenarbeiten.
Nach aussen hin gebe es bis jetzt keine Einschränkungen, so Karl Urban. «Die NASA-Chefin für die astronautische Raumfahrt hat schon vor zwei Wochen bekräftigt, dass man weiterhin zusammenarbeite und kommuniziere.»
Im März sollen auch eine weitere neue russische Crew und eine kommerzielle US-Mission zur Raumstation starten. «Es wird spannend, ob diese Spannungen irgendwann die Raumstation erreichen. Momentan ist es zumindest von aussen noch nicht zu beobachten», so der Wissenschaftsjournalist.
Propaganda oder ernstzunehmende Drohung?
Und dennoch: Vor kurzem hat die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos in einem Video damit gedroht, die ISS abstürzen zu lassen. «Wir wissen, dass Russland versucht, Druck auf die westlichen Partner auszuüben.» Dazu kommt Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin, «ein Polterer».
Weiter spiele Russland in dieser Situation mit dem Fakt, dass die Raumstation alle paar Wochen auf ihrer Bahn angehoben werden muss. Das ist momentan die Aufgabe von Russland. Deswegen seien die westlichen Partner ein Stück weit auf Russland angewiesen.
Die andere Seite sei, dass Russland in der Station sehr tief verdrahtet sei. «Es gibt viele russische Module; zwei nagelneue Module, die erst letztes Jahr gestartet sind. Russland hat schon ein paar Jahre halboffiziell das Ziel geäussert, diese eigenen Module abzukoppeln.» Doch das ist laut Urban nicht einfach.
So würden amerikanische Solarzellen die Energieversorgung bis heute regeln. Russland bräuchte eigenen Ersatz. «Insofern hat Russland wenig Interesse, die Station kaputtgehen zu lassen und den eigenen Anteil abzutrennen.»
Rückzug als politisches Signal
In der Vergangenheit konnte die Raumfahrt geopolitisch Brücken schlagen, gerade während des Kalten Kriegs. Auch die Annexion der Krim änderte nichts an der engen Zusammenarbeit im Weltraum. Der Rückzug Russland sei dramatisch, so der Raumfahrt-Kenner Urban.
Die Annexion der Krim habe vielleicht deshalb keine grosse Rolle gespielt, weil die amerikanischen Astronauten in russischen Raumschiffen starten mussten. Heute haben die Amerikaner wieder eigene Raumschiffe. «Die aktuelle Beobachtung ist eine Beschleunigung einer Entwicklung, die man schon die letzten Jahre beobachtet hat: dass westliche Staaten und Russland eigene Projekte verfolgen.»