Zuletzt war es einigermassen ruhig in Hongkong – auch wegen der Corona-Pandemie und der Ausgangsbeschränkungen. Doch es gibt Befürchtungen, dass die Proteste gegen die chinesische Zentralregierung wieder aufflammen könnten. Das hat mit dem Volkskongress zu tun, der in Peking stattfindet. Dort wird ein umstrittenes Sicherheitsgesetz beraten. Wieso China Druck macht, weiss China-Korrespondent Martin Aldrovandi, er ist derzeit in Hongkong.
SRF News: Was in dem Gesetzesentwurf steht, den China für Hongkong vorsieht, ist noch unklar. Aber es gibt erste Vermutungen. Welche?
Martin Aldrovandi: Es soll in dem Gesetz darum gehen, dass die nationale Sicherheit Chinas auch in Hongkong geschützt ist. Das ist etwas, das China schon lange gerne hätte, als Mittel gegen die Untergrabung der Staatsgewalt oder auch Abspaltungsversuche. Es geht darum, dass die Regierung in Hongkong mehr Möglichkeiten bekommt, dagegen vorzugehen.
Seit den Protesten vom letzten Jahr sind diese Forderungen wieder aktueller geworden denn je.
Peking will Hongkong das Gesetz quasi aufzwingen. Wieso gerade jetzt?
Das Gesetz war eigentlich schon lange geplant. Im Hongkonger Grundgesetz steht, dass Hongkong entsprechende Sicherheitsgesetze einführen muss.
Das wurde aber bisher verhindert – das erste Mal 2003. Damals gingen Hunderttausende Hongkonger auf die Strasse. Die Regierung nahm das Gesetz damals wieder zurück. Seit den Protesten vom letzten Jahr sind diese Forderungen wieder aktueller geworden denn je. Im Hongkonger Parlament selbst wurde die Verabschiedung eines solchen Gesetzes hinausgezögert.
Und was man wissen muss: Dieses Jahr im September sind in Hongkong Parlamentswahlen. Wenn dabei die demokratischen Kräfte hoch gewinnen, würde ein solches Gesetz wahrscheinlich erst recht nicht verabschiedet. Gut möglich, dass die Pekinger Regierung deshalb jetzt vorwärts machen will.
Welche Reaktionen gibt es bereits auf das neue Gesetz?
Schon am Vorabend des Kongresses gab es viele verschiedene Reaktionen. Hongkonger Politikerinnen aus dem demokratischen Lager zum Beispiel nannten das Vorgehen «den traurigsten Tag in der Geschichte Hongkongs». Sie sagten, dass China damit zeige, dass es die Formel «ein Land, zwei Systeme» nicht respektiere und dass es tun und lassen könne, was es wolle.
Donald Trump sagte, die USA würden sehr heftig reagieren, sollte diese Gesetzesvorlage verabschiedet werden.
Auch der letzte britische Gouverneur vor der Übergabe von Hongkong an China, Chris Patten, hat sich geäussert. Er verurteilte die geplante Gesetzgebung. Und auch US-Präsident Donald Trump sagte, die USA würden sehr heftig reagieren, sollte diese Gesetzesvorlage verabschiedet werden.
Heisst das, in Hongkong gibt es schon bald wieder Demonstrationen?
Ja, es wurde schon heute zu Kundgebungen aufgerufen. Dies, obwohl eigentlich gar keine erlaubt sind. Denn es dürfen sich aktuell nicht mehr als acht Personen offiziell in der Öffentlichkeit versammeln. Was man sicher sagen kann, ist: Die Spannungen in Hongkong dürften jetzt erst recht zunehmen.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.