Darum geht es: In Österreich muss der Moderator der ORF-Turnsendung «Fit mit Philipp», Philipp Jelinek, pausieren. Der Grund dafür sind Chatnachrichten, die Ende März bekannt wurden. Brisant sind diese deshalb, weil Jelinek darin bei dem damaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache 2019 Druck gemacht hat, ihm die Moderation einer weiteren Sendung zu überlassen.
Das schrieb Jelinek gemäss Chatprotokoll: «Lieber Heinz, der Kuchen wird jetzt verteilt. Wir müssen dringend die Weichen für mich stellen.» Mit Kuchen sind Moderationsjobs beim ORF gemeint. Vizekanzler Strache habe danach versucht, sagt Eva Linsinger, Leiterin Innenpolitik des Nachrichtenmagazins «Profil», Jelinek einen weiteren Moderationsjob zu verschaffen.
Unveröffentlichte Chatprotokolle: Ein von der ÖVP initiierter Untersuchungsausschuss brachte die teils noch unveröffentlichte Chatprotokolle von 2019 ans Licht. Sie zeigen, wen der damalige FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache damals als Vertrauenspersonen angesehen hat und wen er in einer parteiinternen Whatsapp-Jobbörse für Funktionen im ORF empfohlen hat.
Das Ziel der FPÖ-Medienpolitik: «Das Ganze zeigt, wie stark die Politik versucht hat, auf den ORF Einfluss zu nehmen», sagt Linsinger. Der ORF ist ein unabhängiges Medium. Hauptsitz ist Wien. Weiter betreibt der ORF in jedem österreichischen Bundesland ein Landesstudio und ein weiteres in Bozen.
Besetzung der Aufsichtsgremien: Auch der österreichische Verfassungsgerichtshof ist zum Schluss gekommen, dass die Politik zu starken Einfluss auf den ORF nehmen wolle. Der Verfassungsgerichtshof hat festgehalten, dass die Aufsichtsgremien des ORF – der Stiftungs- und der Publikumsrat – zu stark von der Politik und insbesondere von den Regierungsparteien besetzt sind.
Neuer Modus zur Besetzung der Gremien: Das höchste österreichische Gericht hat die Besetzung dieser Gremien aufgehoben. Es muss bis nächstes Jahr ein neuer Bestellmodus geschaffen werden. Es gehe dabei darum, dass die Politik sich weiter aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zurückziehe, sagt Linsinger.
Das Déjà-vu Chatprotokolle: Dass in Österreich vieles per informeller Whatsapp-Chats geregelt werden sollte, ist spätestens seit Herbst 2021 bekannt. Damals ist in Österreich die sogenannte Inseratenaffäre aufgeflogen. Die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft konnte mithilfe von Chatnachrichten und Hausdurchsuchungen aufdecken, dass die ÖVP – die Partei von Kanzler Sebastian Kurz – mittels gefälschter Umfragen Kurz an die Macht gebracht hatte. Ob gegen Kurz diesbezüglich Anklage erhoben wird, ist noch offen.
Strache und die Ibiza-Affäre 2019: Der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache zeigte in einem heimlich auf Ibiza aufgenommenen Video seine Bereitschaft zur Korruption, zur Umgehung der Gesetze sowie zur verdeckten Übernahme der Kontrolle über parteiunabhängige Medien. Das Bekanntwerden des Videos führte zum Bruch der Regierungskoalition zwischen der ÖVP und der FPÖ. Danach wurde auch die erste ÖVP-Regierung von Sebastian Kurz ersetzt. Im Herbst 2019 kam die ÖVP mit einem neuen Koalitionspartner wieder an die Macht. Bezüglich der Ibiza-Affäre wurde Strache in einem späteren Gerichtsverfahren freigesprochen.