- In Tunesien hat sich die Lage nach der Absetzung von Ministerpräsident Hichem Mechichi am Dienstag bisher offenbar beruhigt.
- In der Hauptstadt Tunis waren das Parlamentsgebäude und wichtige Einrichtungen der Regierung weiterhin von Sicherheitskräften umstellt.
- Präsident Kais Saied ordnete zudem an, dass sämtliche Arbeit in öffentlichen Einrichtungen für zwei Tage ausgesetzt wird. Bis Ende August gilt wieder eine nächtliche Ausgangssperre.
Tunesiens grösste Partei, die islamisch-konservative Ennahda, rief am Dienstag zu einem nationalen Dialog auf, um die politische Krise zu beenden und Lösungen für die drängenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu finden. Zugleich räumte sie in einer Mitteilung ein, hinter kürzlichen regierungskritischen Protesten zu stehen, bei denen auch die Auflösung des Parlaments gefordert wurde.
Opposition fordert Präsidenten zum Umdenken auf
Die Demonstranten hätten berechtigte Forderungen, die Lösungen bräuchten, hiess es jetzt. Ennahda forderte Saied zudem auf, seine Entscheidung vom Sonntag zurückzunehmen, die Arbeit des Parlaments vorerst auszusetzen.
Auch Parlamentspräsident und Ennahda-Chef Rached Ghannouchi wird derzeit der Zugang zu dem Gebäude verwehrt. Militär und Sicherheitskräfte sollten sich aus dem politischen Disput heraushalten, hiess es ferner.
Saied hatte Regierungschef Mechichi am Sonntagabend überraschend entlassen und die Arbeit des Parlaments ausgesetzt. Mechichi erklärte, die Verantwortung – wie vom Präsidenten verfügt – an einen Nachfolger übergeben zu wollen. «Ich kann niemals ein Störfaktor oder Teil des Problems sein, der die Lage erschwert», versicherte er am späten Montagabend. Er werde die Verantwortung abgeben, um «die Sicherheit aller Tunesier zu wahren». Die Mitteilung war seine erste öffentliche Äusserung nach der Entmachtung.
Machtkampf schwellt seit langem
Mechichi hatte den Posten als Ministerpräsident im September 2020 angetreten. Er hatte dabei den Rückhalt der beiden stärksten Parteien im Parlament, Ennahda und «Kalb Tounes» (Herz Tunesiens). Die beiden Parteien liegen wie Mechichi mit Präsident Saied über Kreuz. Die Spannungen zwischen Saied und Mechichi hatten unter anderem zugenommen, nachdem der Präsident sich im Januar geweigert hatte, fast ein Dutzend neue Minister zu vereidigen.