- Ein russisches Gericht hat Kremlkritiker Alexej Nawalny zu einer weiteren Haftstrafe von 19 Jahren verurteilt.
- Er wurde unter anderem wegen Anstiftung und Finanzierung «extremistischer Aktivitäten» sowie Gründung einer «extremistischen Organisation» schuldig gesprochen.
- Der 47-Jährige befindet sich seit 2021 in Haft.
Ob die 19 Jahre Haft mit der vorherigen Strafe verrechnet werden, ist noch nicht klar. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch erklärte der Deutschen Presse-Agentur, dass mit dem Urteil die Gesamtlänge der Haftdauer gemeint sein sollte; also dass die neun Jahre Straflager, zu denen Nawalny bereits verurteilt wurde, mit eingerechnet seien. Es bleibe aber das schriftliche Urteil abzuwarten, sagte sie.
Nawalnys Team im Exil erklärte, dass die Strafe in einem Lager unter besonderen Haftbedingungen abgesessen werden solle, die noch strenger seien als die in der bisherigen Kolonie. Nawalny sei wie ein «König» lächelnd ohne Fesseln allein in den Saal gekommen, kommentierten seine Mitarbeitenden, die sich im Exil in der EU aufhalten, bei einer Livesendung bei Youtube. Sein Bruder Oleg Nawalny, der selbst schon inhaftiert gewesen war, sagte, dass Alexej in guter «moralischer und physischer Verfassung» sei.
Seine Unterstützerinnen und Unterstützer kritisierten, dass der Prozess nicht vor dem Moskauer Stadtgericht, sondern direkt in Nawalnys Strafkolonie im 260 Kilometer von Moskau entfernten Melechowo abgehalten wird. Dort versammelten sich vereinzelt Aktivisten, um den Oppositionsführer zu unterstützen.
Bereits am Donnerstag hatte Nawalny erklärt, er rechne mit einer Strafe knapp unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten 20 Jahren. Er liess über Verbündete zudem ausrichten, dass das neue Urteil gegen ihn der gesellschaftlichen Einschüchterung diene. Es solle die kritischen Teile der russischen Bevölkerung davon abhalten, sich öffentlich gegen Putin und Russlands Krieg in der Ukraine zu stellen.
Giftanschlag überlebt
Nawalny und seine Unterstützerinnen haben in sozialen Netzwerken immer wieder Korruption und Machtmissbrauch von Putin und seinen Gefolgsleuten angeprangert. Nawalny hat die russische Führung wiederholt als «Schurken und Diebe» bezeichnet. Seine Unterstützer setzten die Arbeit auch nach seiner Inhaftierung fort. Im Juni hatte Nawalny aus der Haft heraus eine neue Kampagne gegen Putin angekündigt.
Menschenrechtler weisen immer wieder auf die angeschlagene Gesundheit Nawalnys hin. Dieser überlebte im Sommer 2020 nur knapp einen Nervengiftanschlag. Nawalny wirft dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB und Präsident Wladimir Putin vor, hinter dem Mordanschlag zu stecken. Der Kreml dementiert das. Nach einer Behandlung in Deutschland kehrte Nawalny damals in seine Heimat zurück. Noch am Flughafen wurde er festgenommen.
Repression in Russland nimmt zu
Russland führt seit mittlerweile mehr als 17 Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. In diesem Zeitraum hat die russische Führung auch im eigenen Land Repressionen gegen Kritiker massiv verstärkt.
Neben Nawalny sind in russischen Straflagern noch zahlreiche weitere Oppositionelle inhaftiert, die international als politische Gefangene eingestuft werden. Erst vor wenigen Tagen etwa wurde gegen Wladimir Kara-Mursa das harte Urteil von 25 Jahren Straflagerhaft bestätigt. Es ist die bisher höchste Haftstrafe gegen einen Regierungskritiker in Russland.