Worum geht es? Griechenlands Politik wird von einem Abhörskandal erschüttert. Monatelang wurde der Chef der oppositionellen Sozialdemokraten (Pasok), Nikos Androulakis, vom griechischen Geheimdienst abgehört. Nun hat Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis das Schweigen gebrochen und den Fall zugegeben. Er beteuerte aber, nichts davon gewusst zu haben. Auch hätte er die Beschattung niemals genehmigt. Allerdings bleiben viele Fragen offen, die Opposition spricht bereits von einem «griechischen Watergate».
Die Spionagesoftware ‹Predator› ist der grosse Knackpunkt in der ganzen Affäre.
Warum die Abhöraktion? In der Zeit als Androulakis abgehört wurde, war er Abgeordneter im Europaparlament. Es war denn auch dessen Cyber-Sicherheitsdienst, welcher die Spyware-Attacke mit dem «Predator»-System auf dem Handy entdeckte. Androulakis fand daraufhin heraus, dass er vom griechischen Geheimdienst abgehört wurde. Über die Gründe des Lauschangriffs wird in Griechenland spekuliert: Laut der in Athen lebenden Journalistin Corinna Jessen könnte die amtierende konservative Regierung daran interessiert gewesen sein zu erfahren, mit welcher anderen Partei die Pasok nach den nächsten Wahlen allenfalls zusammenarbeiten könnte.
Wer ist verantwortlich? Nach Mitsotakis' Statemement bleibt unklar, wer den Auftrag zur Abhöraktion erteilt hat – oder wer womöglich noch abgehört wurde oder wird. «Die Regierung von Mitsotakis hat den Geheimdienst als eine ihrer ersten Amtshandlungen nach ihrem Amtsantritt direkt dem Ministerpräsidenten unterstellt», sagt Jessen. Mitsotakis hat also die volle Kontrolle über den Geheimdienst, insofern seien durchaus Zweifel angebracht, ob der nicht doch etwas von der Abhöraktion wusste. Möglicherweise sei der Auftrag zur Abhöraktion parteipolitisch motiviert gewesen – was natürlich allen Gesetzen widersprechen würde.
Was ist mit der Abhörsoftware? Die griechische Regierung hat stets bestritten, die Abhörsoftware «Predator» gekauft zu haben, obschon ein griechischer Journalist bereits zuvor nachweislich mit «Predator» überwacht worden war und die Vertreiberfirma ein Büro in Athen betreibt. Ausserdem gebe es, so die Journalistin Jessen, laut einer Recherche eine Verbindung zwischen dem Direktor der «Predator»-Vertriebsfirma und dem Büroleiter von Premierminister Mitsotakis. «Diese Spionagesoftware ist denn auch der grosse Knackpunkt in der ganzen Affäre», so Jessen.
Wie geht es weiter? Inzwischen wurde die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beschlossen. Die Akten über die Überwachung von Androulakis sollen vom Geheimdienst allerdings bereits vernichtet worden sein. Mittelfristig werde es wegen der Abhöraktion aber sicher schwieriger in der griechischen Politlandschaft, ist Jessen überzeugt. Da nach den nächsten Wahlen in einem Jahr wohl keine Partei alleine werde regieren können und das Verhältnis zwischen den Konservativen und Pasok nun belastet sei, könnte diese Abhöraffäre das Land auch längerfristig in eine instabile Phase führen, glaubt sie.