SRF News: Wie reagiert man in Frankreich auf die Ankündigung des Präsidenten?
Charles Liebherr: Das Spektrum der Reaktionen ist breit. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Hollandes Verzicht für vernünftig halten, weil ihm so eine Niederlage erspart wird und auch, weil es dem linken Lager Raum verschafft, vielleicht doch noch in letzter Minute einen gemeinsamen Weg für die Präsidentschaftswahlen zu finden – im Idealfall mit einem gemeinsamen Kandidaten, der aus den bevorstehenden Primärwahlen hervorgeht. Die Chancen sind zwar eher klein, und die Zeit ist äusserst knapp. Aber in der französischen Politik ist nichts unmöglich, wie die Vorwahlen des Mitte-Rechts-Lagers gezeigt haben.
Jetzt ist der Weg frei für Manuel Valls. Hat die Linke mit ihm grössere Chancen?
Er hat sicher die besseren Chancen als Hollande. Aber zum jetzigen Zeitpunkt hat er kaum Chancen, um in einem halben Jahr schon die Stichwahl bei den Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Alles deutet auf einen Zweikampf zwischen dem konservativen Rechten François Fillon und Marine Le Pen von Rechtsaussen, vom Front National, hin.
Kann Manuel Valls denn die Linken hinter sich einen?
Nein. Sollte Valls antreten, wird er immer noch einen grossen Teil seiner Partei gegen sich haben: Jene, die Hollande und ihn in die gleiche Linie stellen. Auch die Grünen und die von Linksaussen kann er nicht einbinden. Die Vorwahlen bei den Sozialisten finden in 50 Tagen statt. Die kommenden Tage und Wochen müssen nun zeigen, ob eine neue Dynamik entstehen kann. Es ist nicht auszuschliessen, dass sich die Reihen doch noch schliessen. Jetzt, da sich der gemeinsame Feind Hollande aus dem Rennen genommen hat.