Nach der ersten Runde der Präsidentenwahl steuert Chile mit zwei Politikern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, auf eine Stichwahl der Extreme zu. Der ultrarechte Kandidat José Antonio Kast und der Linkspolitiker Gabriel Boric haben am meisten Stimmen erhalten und treffen in einem Monat aufeinander.
Chile steht somit vor der polarisiertesten Wahl seit dem Ende der Militärdiktatur in den 1990er-Jahren. Es ist das Duell zwischen zwei diametral entgegengesetzten Modellen für Chile.
Entweder ein Linker oder ein Rechter
Gabriel Boric, der 35-jährige ehemalige Anführer der Proteste, tritt zusammen mit den Kommunisten für ein linkes Bündnis an. In der Stichwahl trifft er auf den ultrarechten José Antonio Kast, der Sohn eines bayrischen Wehrmachtoffiziers.
Kast hat mit 28 Prozent die meisten Stimmen erhalten, knapp 3 Prozent mehr als der Linke Boric. In seiner Ansprache im chilenischen Fernsehen beharrte Kast auf der Strategie, die ihm am meisten Stimmen einbrachte: Er wolle Kriminalität, Drogenhandel und Terrorismus bekämpfen.
Kast will an Chiles Grenze einen Graben gegen illegale Einwanderung bauen. Er verteidigt Donald Trump und Jair Bolsonaro. Ihm gegenüber steht der Linke Kandidat Gabriel Boric. Er will die Steuern für die Reichen erhöhen, die Sozialleistungen ausbauen und den Umweltschutz verbessern.
«Die Kandidaten müssen sich mässigen»
Der Politologe Alberto von Klaveren von der Universidad de Chile sagt, das Land sei es sich nicht gewohnt, eine Konfrontation zwischen zwei Politikern zu sehen, die so gegensätzlich sind. «Beide Kandidaten müssen sich nun mässigen, um die Wählerinnen und Wähler in der Mitte zu erreichen», sagt van Klaveren.
Seit dem Sommer schreibt eine demokratisch gewählte Versammlung eine neue Verfassung für Chile, welche grüner und sozialer sein soll. Die aktuelle Verfassung stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur. Boric unterstützt den Verfassungskonvent. Kast ist gegen eine neue Verfassung.