«Gestern habe ich Schritte gegen die feindlichen Medien Markiza TV, Dennik N, Sme und Aktuality angekündigt», sagte Fico kurz nach seiner Wahl zum Regierungschef im vergangenen Herbst in einem Facebook-Video. Vorderhand hätten diese Medien keinen Zugang zu den Regierungsgebäuden.
Dieses Hausverbot für die vier wichtigsten unabhängigen Medien der Slowakei wurde nicht durchgesetzt. Aber wenn der Regierungschef den meistgesehenen Fernsehsender des Landes, die beiden wichtigsten Zeitungen und eines der erfolgreichsten Newsportale zu Feinden erklärt, hat das Folgen.
Kaum ein Minister beantwortet noch unsere Fragen.
Matus Kostolny, Chefredaktor der Zeitung Dennik N, spürt sie jeden Tag: «Kaum ein Minister beantwortet noch unsere Fragen.» Unter diesen Umständen ausgewogen zu berichten, sei schwierig. «Wir versuchen, Wege zu finden, die sicherstellen, dass wir fair bleiben gegenüber der Regierung. Aber wenn dich der Premier zum Feind erklärt, ist das schwer.»
Dass es von der Regierung keine Antworten mehr gibt, erlebt auch Beata Balogova. Die Chefredaktorin der Zeitung Sme sagt, Fico und seine Mitstreiterinnen wollten der Kontrolle durch die Medien entgehen: «Am liebsten hätten diese Politiker, Journalistinnen würden einfach wiederholen, was sie sagen.» Auf keinen Fall wollen sie Journalistinnen, die eine neue Korruptionsaffäre aufdecken.
Facebook statt Interview
Und so spricht Robert Fico statt mit Medienschaffenden lieber auf Fake-News-Kanälen. InfoVojna zum Beispiel, einem Internetfernsehen, das russische Propaganda verbreitet, hat er ein längeres Interview gewährt. Dort widerspricht niemand, wenn er zum Beispiel behauptet, die Ukraine sei kein souveräner Staat.
Aber der liebste Kommunikationskanal von Fico sei sein Facebook-Profil, sagt Balogova. Fico tue dann so, als gebe er eine Medienkonferenz. Aber es gebe keine Fragen – und damit auch keine Auseinandersetzung.
Allerdings ist der Regierungschef damit nicht allein. Auch Igor Matovic, Fico-Gegner und früher selbst Regierungschef, meidet Medienleute und sucht Aufmerksamkeit vor allem via soziale Medien.
Vor allem Journalistinnen sind zu einer Art Freiwild geworden.
Dieses Gefühl, Journalistinnen und Journalisten nicht mehr zu brauchen, führe dazu, dass slowakische Politiker Medienschaffende viel ungehemmter angriffen als früher, sagt der Chefredaktor von Dennik N: «Die Häufigkeit und die Heftigkeit der Angriffe haben ein neues Niveau erreicht.»
Vor allem Journalistinnen seien zu einer Art Freiwild geworden, ergänzt Beata Balogova und erzählt von einer E-Mail, die sie an diesem Morgen erhalten hat. Darin schrieb ihr jemand, sie sei abstossender als eine Lepra-Kranke und besessen von Satan. Andere Journalistinnen bekommen Mord- oder Vergewaltigungsdrohungen.
Der Mord an Kuciak und Kusnirova
In der Slowakei weckt dies düstere Erinnerungen: Vor sechs Jahren haben Auftragsmörder den Journalisten Jan Kuciak und seine Verlobte getötet. Auch damals hiess der Regierungschef Robert Fico. Hunderttausende gingen auf die Strasse. Sie machten den Regierungschef mitverantwortlich für den Mord. Fico musste abtreten.
«Ich dachte damals, Fico und die anderen Politiker hätten eine Lektion gelernt», sagt Chefredaktor Matus Kostolny. «Aber nun ist Fico wieder im Amt und greift Journalisten aggressiver an denn je.» Die Angst vor Gewaltverbrechen gegen Medienschaffende ist zurück.