Ab Montag darf kein russisches Erdöl mehr über den Seeweg in EU-Staaten geliefert werden. Damit der Ölpreis weltweit nicht in die Höhe schnellt, wird der Preis für russisches Öl auf 60 Dollar pro Barrel gedeckelt. Christof Rühl, Experte für Energie-Ökonomie, bewertet das Vorhaben.
SRF News: Wie kann die EU bestimmen, wie viel zum Beispiel China für russisches Öl bezahlen wird?
Das kann die EU natürlich nicht. Die Idee dieses Preisdeckels kam ja aus den USA und war von niemandem richtig ernst genommen worden – bis dann die EU beschlossen hat, per Schiff transportiertes russisches Öl nicht mehr in die EU zu lassen. Gleichzeitig wurde beschlossen, dass keine Schiffe und keine Versicherungen von Versicherungshäusern, die in der EU registriert sind, für russische Öltransporte auf See eingesetzt werden dürfen.
Das bedeutet, dass die russische Ölproduktion zurückgeht, weil das Öl, das nicht mehr nach Europa kommen darf, nicht woanders hin verschifft werden kann. Russland hat keine Möglichkeit mehr, weil es seine Schiffe nicht mehr mieten und versichern kann. Aber da hat die EU Angst bekommen vor der eigenen Courage, weil weniger russische Exporte natürlich einen höheren Weltmarktpreis zur Folge hätten. Erst dann hat man sich an diese Idee aus den USA erinnert und gesagt: Also gut, wir lassen es zu, dass russisches Öl verschifft wird, mit unseren Schiffen und versichert von unseren Agenturen – aber nur mit einem Preisdeckel. Russland sagte sofort Nein; wenn die Länder diesen Preisdeckel einhalten wollten, werde man denen halt nichts verkaufen.
Der Preisdeckel selber ist auch darum so moderat ausgefallen, also relativ hoch, weil man Angst davor hat, dass Russland tatsächlich Konsequenzen zieht. Und wir können jetzt nur hoffen, dass der Preis stabil bleibt und nahe am Preis, der aktuell für russisches Öl bezahlt wird, sodass das Öl weiterhin verkauft werden kann.
Russland soll über 100 alte gebrauchte Tanker gekauft haben, um Öl nach Indien oder China transportieren zu können. Wäre so etwas ohne Preisdeckel denkbar?
Es ist ein Versuch, dem Ganzen entgegenzuwirken, aber es reicht nicht. Die Mengen sind zu gross und die Lieferwege dreimal so lang, als wenn das Öl nach Europa verschifft würde. Fast noch wichtiger sind die Versicherungen. Es gibt Supertanker mit zwei Millionen Fass Öl an Bord, die riesige Versicherungspolicen benötigen. Dies ist aber mit den Finanzsanktionen nicht mehr möglich.
Man kann nicht ohne eigene Kosten die russischen Einnahmen vermindern.
Ziel der Sanktionen ist ja, dass der Kreml seine Kriegskasse nicht mehr mit Erdöl-Einnahmen füllen kann. Was kann die EU sonst tun, um das zu verhindern?
Hauptkritikpunkt dieser Aktion ist, dass man nicht ohne eigene Kosten die russischen Einnahmen vermindern kann. Es gibt drei grosse Nachteile: Erstens die Einführung von multiplen Preisen, die nur zu Versuchen führen, das System zu umgehen. Zweitens, dass man Russland praktisch ein Instrument gibt, mit dem es den globalen Ölpreis beeinflussen kann. Und drittens, dass man mit der Hypothese, dass man nur den Preis beschränken muss, um den Russen weh zu tun, ohne selber zu leiden, nur verlieren kann.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.