Das Meer in Ostia rauscht verlockend. Ostia liegt nur dreissig Minuten von Rom entfernt. Und wenn es im Zentrum der Ewigen Stadt brütend heiss und stickig ist, weht dort oft eine kühle, frische Brise.
Doch direkt am Meer sein Badetuch auszubreiten, ist in Ostia und an vielen anderen Küsten Italiens gar nicht so einfach – und vor allem teuer. Denn viele der Strände liegen hinter einem hohen Gitter, sind privat, man muss Eintritt bezahlen. An Wochenenden kostet das bis zu 30 Euro pro Person und Tag.
Denn der italienische Staat hat einen grossen Teil der Strände verpachtet, viele schon seit Jahrzehnten. Deswegen trat vor Jahren schon Brüssel auf den Plan. Und fordert ultimativ, Italien solle diese Strandlizenzen umgehend neu und transparent ausschreiben.
An Italiens Küsten gibt es genügend Platz für weitere Strandbäder.
Italien solle Konkurrenz schaffen, dies im Namen der «Dienstleistungsrichtlinie Bolkestein». Unter den «balneari», den Betreibern der Badestrände, sorgt das für Unruhe oder Ärger. Auch Antonio Capacchione, Präsident der Vereinigung der Strandbetreiber, empört sich.
Nach einer hitzig verlaufenen Versammlung der Strandbetreiber erklärt er, warum: «An Italiens Küsten gibt es genügend Platz für weitere Strandbäder.» Mehr Wettbewerb brauche es darum nicht, der Staat könne neuen Interessenten ja bisher frei zugängliche Strände verpachten.
Roberto Scacchi leitet in Rom das regionale Büro der Umweltorganisation Legambiente. Er sagt, per Gesetz müssten eigentlich 50 Prozent der Strände für alle frei und gratis zugänglich sein. Oft treffe das aber nur auf abgelegene oder verschmutzte Strände zu. In den schönen Küstenorten seien meist alle Strände privat, zum Teil kilometerlang. In Frankreich oder Spanien sei das ganz anders.
Umweltverbände und die in Italien allerdings unbedeutende Grüne Partei fordern, der Staat solle die Konzessionen nicht einfach neu ausschreiben, sondern private Strände wieder öffnen – für alle und gratis. Und der Staat solle für jene Strände, die er weiter an Private vergibt, höhere Gebühren verlangen: «Im Vergleich zu den hohen Gewinnen nimmt der Staat nur lächerlich wenig ein. Das muss sich ändern», findet Scacchi.
Eine Leere tut sich auf
Das sieht Marzia Marzoli ganz anders. Sie hat schon vor dreissig Jahren einen Strand vom Staat gepachtet, bei Tarquinia, eine Stunde nördlich von Rom. «Sollte die Regierung meinen Strand Ende Jahr neu ausschreiben und nicht an mich vergeben, verliere ich alles», klagt sie.
Im Lauf der Jahre habe sie Umkleidekabinen gebaut, einen Kiosk, Pinien gepflanzt, Büsche, Blumen. Hunderttausende von Euro habe sie investiert. Würde der Staat die Konzession an einen Konkurrenten vergeben, müsse er eine Entschädigung zahlen. Nur: Bis jetzt sei das gar nicht vorgesehen. «Un vuoto» – eine Leere tue sich vor ihr auf.
Es geht um viel. Um wie viel, erklärt Antonio Capacchione von der Vereinigung der Strandbetreiber: Es geht um rund 30'000 Strandkonzessionen und um einen Umsatz von bis zu 3.5 Milliarden Euro jährlich. Rund 100'000 Leute finden in den meist kleinen Strandbädern eine Stelle.
Viele dieser Kleinunternehmer wählen Giorgia Meloni und ihre Rechtskoalition. Melonis Regierung hat ihnen denn auch zugesichert, die Richtlinie aus Brüssel umzusetzen, ohne die Existenz der bisherigen Pächter zu gefährden – was der Quadratur des Kreises gleicht. Wer auch immer sich durchsetzt, eines wird bleiben: Die schönsten Plätze an der Sonne werden weiter privat und teuer sein.