Italien hat 8300 Kilometer Küstenlinie und zwanzig wichtige Häfen. Ein Viertel des Bruttoinlandprodukts beruht auf Tätigkeiten, die mit dem Meer zu tun haben – oder anders gesagt auf 200'000 kleineren und grösseren Betrieben. Fincantieri in Triest beispielsweise ist das grösste Schiffbauunternehmen Europas mit sieben Milliarden Euro Umsatz
«Italien hat schon immer aufs Meer geschaut»
«Italien hat schon immer aufs Meer geschaut», meint Gabriele Catania, Inhaber des kleinen Think Tanks OGNIL und geopolitischer Analyst. Genua und Venedig waren jahrhundertlang See- und Wirtschaftsgrossmächte. Italien besitzt sogar zwei Flugzeugträger, die Grossmacht China im Vergleich dazu drei.
Insofern ist es nicht erstaunlich, dass Giorgia Meloni dieses Ministerium für das Meer und den Süden geschaffen hat. Erstaunlich ist, dass es während 30 Jahren kein solches Ministerium mehr gab. Nach dem Fall der Mauer 1989, nach dem Zusammenbruch des italienischen Parteiensystems im Zuge zahlreicher Korruptionsaffären, habe Italien vermehrt nach Norden geschaut, sagt Catania. Insbesondere die neue Partei «Lega Nord», die spätere «Lega» habe sich auf eine Unabhängigkeit und später auf eine verstärkte Autonomie des Nordens fokussiert.
«Autostrade del mare»
Zwar sind die nordeuropäischen Häfen wie Hamburg oder Rotterdam wichtiger als die italienischen. Aber für China und die asiatischen Handelsnationen wäre es effizienter, ihre Fracht durch den Suezkanal zu transportieren und in den italienischen Häfen zu löschen, meint Catania. Auch die Schweiz würde profitieren: Eine Fracht von Genua nach Zürich zu transportieren, dauere etwa halb so lang wie von Hamburg aus.
Die sogenannte «Autostrade del mare», Meeresautobahnen – sprich: Fährverbindungen zwischen den italienischen Küstenstädten, aber auch nach Barcelona oder Tunis – seien viel kürzer und ökologischer als der Transport über die Strasse, sagt Catania. Nach Angaben des italienischen Transportministeriums sind so bislang 680 Millionen Tonnen CO2 eingespart worden.
Natürlicher Wirtschaftsraum
Das Mittelmeer sei ein natürlicher Kultur- und Wirtschaftsraum, aber auch eine gemeinsame Problemzone. Die Adria drohe durch Überfischung und Klimawandel zu einer biologischen Wüste zu werden, sagt Catania.
Ein Ministerium für das Meer und der Süden macht wirtschaftlich also Sinn. Was die Regierung Meloni daraus macht, wird man sehen. Politisch auf jeden Fall sind die Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni gerade auch im Süden stark.