Giorgia Meloni war sich klar, dass ihr heutiger Auftritt im In- und Ausland mit Argusaugen beobachtet würde. «Ich bin das, was die Briten einen Underdog nennen. Ich komme aus einfachen Verhältnissen und musste mich gegen alle Widrigkeiten nach oben durchbeissen. Das habe ich geschafft und habe es auch weiterhin vor», so Meloni.
Meloni blieb auch ihrer Linie aus dem Wahlkampf treu. Sie gab sich als konservativ, wirtschaftsliberal, aber einigermassen moderat. Italien stehe ohne Wenn und Aber zur Nato und zum Westen im Ukrainekrieg. Italien werde innerhalb der EU Politik machen. Nicht gegen die EU. Aber Italien werde ohne Unterwürfigkeit gegenüber anderen EU-Mitgliedern auftreten. Gemeint waren Paris und Berlin.
Dass Italien von den anderen Europäern über den Tisch gezogen werde, ist ein typisches Narrativ der Fratelli d'Italia. Es war schon anfangs des 20. Jahrhunderts ein gängiges Argument der Rechten bis Rechtsextremen.
Meloni grenzte sich zwar klar vom italienischen Faschismus ab, bettete aber diese Abgrenzung in eine Ablehnung gegen jeglichen Totalitarismus ein. Und sie sagte damit quasi: Wir waren nicht die einzigen. Immerhin ergänzte sie, die Verbrechen liessen sich nicht gegeneinander aufrechnen.
Wirtschaftspolitik soll liberaler sein
Giorgia Meloni ist die schwierige Lage Italiens bewusst: Eine Staatsverschuldung von 145 Prozent des BIP, die nur von Griechenland übertroffen wird, eine Inflation von über 11 Prozent, Wachstumsprognosen von unter einem Prozent bis zur Vorhersage einer Rezession.
Meloni kündigte eine liberale Wirtschaftspolitik an, mit Steuersenkungen und Abbau der Bürokratie. Interessant war: Sie hielt an ihrem Ziel fest, in Italien ein Präsidialsystem wie in Frankreich einzuführen, was einer Regierung einerseits mehr Stabilität, aber auch viel mehr Machtfülle gibt.
Corona, Überalterung und Migration
Und sie kündigte an, dass Italien im Falle einer neuen Covid-Welle viel weniger restriktiv als in der Vergangenheit vorgehen werde. Italien habe das strengste Covid-Regime in Europa gehabt, aber trotzdem zu den Staaten mit der höchsten Sterblichkeit und Sterberate gehört.
Meloni widmete einen separaten Punkt in ihrer Rede der Förderung der Jugend und der Überalterung der Gesellschaft. Denn Italien habe die tiefste Geburtenrate seit 1861.
Und sie kündigte an, sich für Hotspots für Flüchtlinge in Afrika einsetzen zu wollen, wo ihre Asylanträge nach Europa geprüft würden. Eine Kontrolle vor der nordafrikanische Küste solle Flüchtlingsboote frühzeitig abfangen.
Im vielem war Melonis Regierungserklärung eine politische Standardrede. Kampf gegen die Mafia, Förderung des Südens, aufrecht gegen Brüssel. Und sie glich in vielen Punkten jenen ihres jetzigen Bündnispartners Silvio Berlusconi vor zehn Jahren.
Was solche Ankündigungen wert sind und wie diese Regierung wirklich tickt, wird sich erst in der Praxis weisen. Beispielsweise, wenn es um Minderheitenrechte oder Abtreibung geht. So viel Geduld muss, so viel Skepsis darf man haben.