Darum geht es: Fast drei Wochen nach den Wahlen in Italien gibt es immer noch keine neue Regierung. Wahlsiegerin Giorgia Meloni von den postfaschistischen Fratelli d'Italia hält sich auffällig im Hintergrund. Immerhin: Am Mittwoch sagte sie in Rom, man sollte keine Zeit verlieren und rasch eine neue Regierung bilden. «Die Lage Italiens ist nicht einfach», so Meloni. Das trifft offenbar auch auf die Regierungsbildung zu: Meloni und die Chefs der anderen beiden Parteien der siegreichen Rechtsallianz – Silvio Berlusconi von der Forza Italia und Matteo Salvini von der Lega – sind sich bei der Besetzung der Ministerposten offenbar nicht einig.
Man will vor allem keine Fehler machen.
Das sind die Hintergründe: Die wahrscheinlich nächste Ministerpräsidentin Italiens, Giorgia Meloni, hat von Staatspräsident Sergio Matarella noch keinen Regierungsauftrag erhalten. Die Gespräche unter den drei Parteien laufen hinter verschlossenen Türen ab. Die Medien werden nicht über diese Gespräche informiert. «Man will Einigkeit nach aussen vermitteln und vor allem keine Fehler machen», sagt Simona Caminada, SRF-Korrespondentin in Italien. Laut Medienberichten scheint es aber grössere Differenzen unter den drei Parteien zu geben, was die Besetzung einiger wichtiger Ministerposten angeht.
Deshalb die Differenzen: Die Fratelli d'Italia haben mit 26 Prozent der Stimmen bei der Wahl weit besser abgeschnitten als erwartet, Lega (knapp neun Prozent) und Forza Italia (gut acht Prozent) dagegen viel schlechter. «Deshalb hat Meloni jetzt den Lead», so Caminada. Weil nun alle drei Parteichefs möglichst wichtige Ministerposten erhalten wollten, werde hinter den Kulissen heftig um diese Posten gestritten. Salvini wolle unbedingt Innenminister werden, Berlusconi eine Vertraute auf einen Ministerposten hieven. «Es geht fast zu wie auf einem Basar», stellt die Korrespondentin fest.
Möglicherweise doch Technokraten: Eigentlich hatte Meloni erklärt, eine Regierung ohne Technokraten bilden zu wollen – ohne Spezialisten also, die nicht an eine Partei gebunden sind und nicht primär politische Absichten verfolgen. Weil ihr aber in der eigenen Partei das geeignete Personal für die Ministerposten fehlt, erwägt Meloni jetzt offenbar doch, etwa als Finanzminister einen Experten einzusetzen. «Das könnte die Finanzmärkte und Brüssel beruhigen», so Caminada.
Ein Technokrat als Finanzminister könnte Brüssel beruhigen.
So geht es weiter: «Alles deutet darauf hin, dass Giorgia Meloni nächste Woche von Staatspräsident Matarella den Auftrag zur Regierungsbildung erhält», glaubt die Korrespondentin. Dann muss die designierte Ministerpräsidentin ihre Liste der Ministerinnen und Minister vorlegen. Die Crux: Matarella ernennt jeden einzelnen Minister und kann auch Vorschläge ablehnen. Deshalb dürfte es mindestens Ende Oktober werden, bis die neue Regierung Italiens feststehe, so Caminada. «Dann werden wir sehen, welches Gesicht Meloni als Ministerpräsidentin zeigen und welche Politik sie verfolgen will.» Es sei unklar, ob sie die zurückhaltende, moderate Meloni aus dem Wahlkampf sein werde oder die aufbrausende Meloni der lauten Töne, wie man sie in Italien bislang vor allem kenne.