Giorgia Meloni und ihre Fratelli d’Italia haben einen Doppelsieg errungen. Der Erfolg der Fratelli und ihres Rechtsbündnisses ist so deutlich, dass Staatspräsident Matarella nicht umhinkommen wird, der ersten Frau in der Geschichte Italiens den Auftrag für eine Regierungsbildung zu übertragen.
Gleichzeitig sind Melonis Verbündete, Silvio Berlusconi mit seiner Forza Italia und vor allem Matteo Salvini, Chef der Lega, so geschwächt, dass sie Giorgia Meloni vorläufig nicht gefährlich werden können. Vor allem Salvini ist nach dem Kollaps der Lega verzweifelt auf die Unterstützung von Giorgia Meloni angewiesen, um sich an der Spitze der Partei halten zu können.
Doch Salvini ist auch eine der grössten Gefahren für eine stabile Regierung unter Meloni: Er sei als Politiker unfähig und dazu auch noch unberechenbar, behaupten böse Zungen. Die ziemlich explosivste Mischung in der Politik.
Starker Mann, statt starke Frau
Damit enden aber auch schon die guten Nachrichten für die neue, starke Frau. Für ihr Ziel, eine Präsidentialdemokratie nach dem Vorbild Frankreichs einzuführen, fehlt ihr eine Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Kammern. Eine solche Verfassungsänderung hätte ihr enorme Macht in die Hände gegeben. Nun bleibt Staatspräsident Sergio Mattarella als starker Mann für die demokratische Verankerung des Landes zuständig.
Zudem kann sich Giorgia Meloni eine frontale Auseinandersetzung mit der EU gar nicht leisten. Italien braucht die Gelder aus dem Brüsseler Coronafonds und viele Menschen kämpfen in der Energiekrise mit existentiellen Problemen. Trotzdem gilt es als sicher, dass Italien unter Giorgia Meloni für Brüssel ein unangenehmerer Partner als bisher sein wird, aber das Umgekehrte gilt auch.
Wie viel Orban-Schale, wie viel Draghi-Kern?
Um ihre Gefolgschaft aber bei der Stange zu halten, könnte Meloni versucht sein, eine Art Kulturkampf zu führen. Sie hat sich zwar gegen ein Verbot der Abtreibung ausgesprochen, könnte aber in der Praxis Hürden aufbauen, wie es ihr Parteikollege, der Gouverneur der Marken, vorzeigt. Und sie könnte das traditionelle Familienmodell forcieren, weniger aus Überzeugung denn als Zweck, um ihre Anhängerschaft zu befriedigen: eine Art Orban-Schale mit Draghi-Kern.
Wie viel von beidem die Regierung Meloni prägen wird, wie sehr Meloni Pragmatikerin und wie stark Ideologin ist, weiss niemand. Als künftige Premierministerin ist sie noch eine Black Box. Aber wenn sie wirklich fünf Jahre lang im Amt sein will – das wäre fast schon ein Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde wert – muss sie eine gewisse Pragmatik zeigen. Aber dass Politik nicht rational sein muss, haben wir wiederum eindrücklich von Wladimir Putin gelernt.