Noch-Ministerpräsident Mario Draghi war ein gern gesehener Gast in Brüssel. Der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank hat Italien zurück auf die europäische Bühne gebracht. Er handelte besonnen, ruhig und brachte Reformen voran.
Nun könnte sich das ändern. Giorgia Meloni von den postfaschistischen Fratelli d’Italia führt derzeit alle Umfragen an. Sie hat somit gute Chancen, Italiens neue Ministerpräsidentin zu werden. Eine Frau aus einer Partei, die europaskeptisch ist. Die Fratelli d’Italia wollen das Land in eine leichter steuerbare Präsidialrepublik nach französischem Modell umwandeln.
Der Spass ist vorbei! Auch Italien wird anfangen, seine nationalen Interessen zu verteidigen.
Zudem will Meloni Abkommen und Verträge mit der EU nachverhandeln. Immer wieder äussert sie sich dazu. Beispielsweise auch am 11. September an einem Wahlkampfauftritt in Mailand: «Es heisst, in Europa sei man ein bisschen besorgt wegen der Meloni. Was wohl mit der geschehen werde? Was passieren wird: Der Spass ist vorbei! Auch Italien wird anfangen, seine nationalen Interessen zu verteidigen.»
Reine Wahlkampftaktik
Solche Aussagen seien reine Wahlkampftaktik, um die eigene Gefolgschaft zu mobilisieren, sagt Politikwissenschaftler Vincenzo Emanuele von der privaten Universität Luiss in Rom. Sei man erst einmal in Brüssel, vor den Ministerkollegen aus anderen Ländern, mit den gleichen Spielregeln für alle, dann würden solche Sprüche schnell wieder aufhören. «Für Italien wäre es fatal, sollten wir die gemeinsamen Mittel Europas nicht nutzen; es käme politischem Suizid gleich», so Emanuele.
Der Politologe glaubt auch, die Situation mit der EU würde sich mit einem Sieg Melonis gar nicht so sehr verändern, aber jene in Italien schon. Denn es würde einen Rückschritt bedeuten, beispielsweise für die Rechte von Minderheiten, erklärt er. Zudem hätten Meloni und ihre Partei Wahlversprechen abgegeben, die Italien noch weiter in die Schulden treiben würden.
«Ihre Wahlversprechen, so haben Analysten gerechnet, würden rund 200 Milliarden Euro kosten – zusätzlich zu den Schulden, die Italien schon hat. Das wäre nicht mehr tragbar und ein Problem für das Land», sagt Emanuele.
Nun komme es darauf an, wie deutlich Meloni und ihr Mitte-rechts-Bündnis mit der Lega von Matteo Salvini und der Forza Italia von Silvio Berlusconi die Wahlen gewinne, sagt Emanuele. Erst dann könne man sagen, wie sich Italien verändere – und seine Beziehung zur EU.