Für den Politikwissenschaftler Roberto D'Alimonte von der LUISS School of Government in Rom ist am Wochenende im italienischen Wahlkampf eine Vorentscheidung gefallen: «Der Austritt von Carlo Calenda aus dem Wahlbündnis der Mitte-Links-Parteien hat die Chancen dieses Bündnisses auf einen Wahlsieg am 25. September auf ein Minimum reduziert.»
Majorzsystem bevorzugt Parteienbündnisse
Das italienische Wahlrecht bevorzugt Parteienbündnisse, auch weil ein Teil der Abgeordneten nicht nach dem Proporzsystem, sondern nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden.
Enrico Letta, Parteichef des Partito Democratico, der stärksten Partei Mitte-Links, hatte deshalb versucht, die Übermacht der Rechtsparteien durch ein Wahlbündnis mit verschiedenen Parteien, Linken, Grünen und der moderaten Partei Azione von Carlo Calenda zu kontern.
Für d'Alimonte ist nach dem Ausscheiden von Calenda aus dem Mitte-Links-Lager klar: «Der Sieg der Rechtsparteien Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni, der Lega von Matteo Salvini und der Forza Italia von Silvio Berlusconi ist quasi sicher.»
Calenda und seine Partei Azione sind zwar zahlenmässig nicht stark, aber sie hätten als Mittepartei die Wähler der Mitte angezogen, möglicherweise in grösserem Ausmass, als es ihrer eigentlichen Stärke entspricht.
Calenda hat sich zu diesem selbstmörderischen Schritt entschieden, weil die Glaubwürdigkeit seiner Mittepartei Azione durch das Bündnis des Partito Democratico mit anderen Linksparteien und den Grünen aus seiner Sicht massiv gelitten hätte.
Trendumkehr fast nicht mehr möglich
Nur ein Schock, wie zum Beispiel ein Terroranschlag oder den Einsatz von Atomwaffen im Ukrainekrieg und eine völlig verfehlte Reaktion der Rechtsparteien, könnte bis zum Wahltag noch eine Wende bewirken, sagt Politologe D'Alimonte.
Er erinnert in diesem Zusammenhang an die verheerenden Terroranschläge in Madrid 2004, die wegen der verfehlten Reaktion der konservativen Regierung von José Maria Aznar den scheinbar sicheren Sieg bei den unmittelbar folgenden Parlamentswahlen gekostet hatte.
Italien wählt traditionell eher rechts
Selbst die anschwellende Flüchtlingswelle in Italien werde keinen Meinungsumschwung bewirken, denn sie sei bereits ein Wahlkampfthema, das die Rechtsparteien begünstige, sagt D'Alimonte.
Entsprechend ist er sich sicher, dass Italien Ende September neu eine Rechtsregierung erhält. Schliesslich schlage das politische Herz des Landes Mitte-Rechts: Nur zweimal in den letzten 25 Jahren sei in Italien mit knapper Mehrheit eine Mitte-Links-Regierung gewählt worden.