In Kasachstan ist ein ehemaliger Wirtschaftsminister kürzlich zu 24 Jahren strenger Lagerhaft verurteilt worden, weil er seine Frau in einem Restaurant zu Tode geprügelt hatte. Der Fall löste eine Debatte im Land aus: Jetzt gilt Gewalt gegen Frauen und Kinder auch von Gesetzes wegen als Straftat. Das allein sei schon ein bemerkenswerter Schritt, sagt die Zentralasien-Expertin Beate Eschment.
SRF News: Laut der UNO werden in Kasachstan jedes Jahr rund 400 Frauen von ihren Männern getötet. Warum ist häusliche Gewalt dort derart verbreitet?
Beate Eschment: In Kasachstan ist die Ansicht heute noch weit verbreitet, dass die Frau dem Mann untertan ist. Und diese Werthaltung äussert sich insbesondere unter Alkoholeinfluss sehr stark. Dabei ist der Alkohol nicht die Ursache der häuslichen Gewalt. Er senkt bloss die Hemmschwelle.
Warum hat gerade dieser Fall so heftige Diskussionen ausgelöst?
Die Aufmerksamkeit richtet sich immer dann auf das Thema, wenn ein Prominenter betroffen ist. Das war schon vor einigen Jahren so, als eine Frau, die im TV bekannt war, von ihrem Mann verprügelt wurde. Und jetzt betrifft es mit dem ehemaligen Minister jemanden aus einer sehr einflussreichen Familie. Es ging damit ebenso um die Frage, ob auch ein Angehöriger der Elite für seine Tat bestraft wird wie ein normaler Bürger.
Wird das verschärfte Gesetz in Kasachstan die Frauen in Zukunft besser vor häuslicher Gewalt schützen?
Es ist schon ein grosser Erfolg, dass der Staat so weit ist, dass er die Gesetze verschärft. Bis sich das in der Praxis wirklich auswirkt, bleibt aber noch viel zu tun. Eine misshandelte Frau etwa muss zunächst überhaupt Anzeige erstatten, dabei stösst sie womöglich auf Polizisten, die wenig Verständnis zeigen.
Es herrscht oft das Bild vor, die Frau sei selber schuld.
Später ist womöglich auch der Richter den traditionellen, alten Werten verpflichtet. Dabei herrscht oft das Bild vor, die Frau sei selber schuld. Schon allein deshalb überlegen sich Frauen, ob sie überhaupt zur Polizei gehen sollen. Hier muss ein erster Schritt getan werden, damit neue Gesetze Wirkung zeigen.
Das Umfeld des Ex-Ministers wusste, dass er gegen seine Frau gewalttätig ist, hat aber nichts unternommen ...
Das hat auch damit zu tun, dass der Mann zu einer sehr einflussreichen Familie gehört. Ausserdem verübte er den Mord in einem familieneigenen Restaurant. Die Angestellten mussten also Konsequenzen befürchten, wenn sie einschreiten. Das soll keine Entschuldigung sein, aber eine mögliche Erklärung.
Die Entwicklung in Kasachstan ist nur ein sehr kleiner Schritt nach vorn.
Hat die Debatte einen Einfluss in anderen zentralasiatischen Ländern oder sogar in Russland?
Das hoffe ich – auch wenn es bislang nur wenige konkrete Zeichen dafür gibt. Immerhin gibt es auch in den anderen zentralasiatischen Ländern Gruppen, die sich mit Frauenrechten und der Situation der Frauen beschäftigen – vor allem in Kirgisistan. Man muss sich aber bewusst sein, dass die Entwicklung in Kasachstan nur ein sehr kleiner Schritt nach vorn ist. Hoffnung geben eine Reihe von Kinofilmen, die die Gewalt gegen Frauen thematisieren. Das könnte einen Nachdenk-Prozess durchaus befördern.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.