Durchsichtig ist das Schwarze Meer, zusammengeklappt sind die Liegestühle – und schwarz sieht Ewelina Welikova. Ihr Geschäft sind Ferienwohnungen in Wlas.
Sie befürchtet, dass bald das ganze Dorf an der bulgarischen Schwarzmeerküste zusammenklappt wie die Liegestühle. «Es ist sehr schwierig», sagt sie. «Wir müssen lernen, ohne die Russen zu leben.» Ein Satz, gesagt mit Bedauern, der selten geworden ist in Europa.
Die Wohnungen stehen leer
Das Dorf Wlas besteht aus Apartments, deren Terrassen keine seltsame Ausbuchtung auslassen, um ihren Besitzern Meerblick zu ermöglichen. Vier von fünf dieser Wohnungen gehören Russen oder Russinnen – nicht den Oligarchen, sondern der Mittelklasse. Jetzt stehen die Wohnungen leer.
«Die Russen können nicht mehr kommen», sagt Ewelina Welikova. Es gibt keine Flüge aus Russland. Die Russen können ihre Wohnungen auch nicht verkaufen, obwohl einige Bulgarinnen gerne kaufen würden: Für den Verkauf müssten sie herkommen aus Russland. Geld überweisen auf ein russisches Konto geht nämlich nicht. Der Zahlungsverkehr mit Russland funktioniert kaum noch.
Für abgeholte Müllsäcke, für Wasser und Strom bezahlen die Russen eine Jahresgebühr. «Auch das können sie jetzt nicht mehr», sagt Welikova. Und aus Westeuropa kommen nicht genügend Touristen, um die Russen zu ersetzen. Welikova macht dieses Jahr Verluste.
Hakenkreuze und verschmierte Autos
In Pomorie, der Küstenstadt, die gleich neben dem Sonnenstrand liegt, regnet es. Hier gehört den Russen jede dritte Wohnung. «Man nannte uns bis jetzt in Bulgarien auch ‹die von Russen überfallene Stadt›», Bürgermeister Ivan Alexiev.
Jetzt sind sie alle weg. «Sogar jene, die eigentlich das ganze Jahr hier leben», sagt der Bürgermeister.
In der Hotellobby sitzen ukrainische Flüchtlinge. Auch Irina, 63, ist nach Bulgarien geflohen. «Meine Mutter ist 82, sie hatte einen Hirnschlag, ich habe es kaum geschafft, sie hierher zu bringen. Ich gehe nirgends mehr hin.» Und dann, Tränen...
Ich gehe nirgends mehr hin.
Bis vor Kurzem haben die Hoteliers an der Küste Geld vom Staat bekommen, wenn sie Flüchtlinge aufgenommen haben. Jetzt in der Hauptsaison gibt es kein Geld mehr, die Flüchtlinge müssen den Touristen weichen. Deshalb sollten sie in verlassene Skigebiete in den Bergen umziehen. Viele weigern sich aber.
Auch Hoteliers können nicht mehr
Weska Balaktschieva, Direktorin des Hotels Zeus, ist deshalb auch den Tränen nahe. «Ich bin erschöpft», sagt sie. «Ich bereue es, mein Hotel für die Ukrainerinnen geöffnet zu haben, sie sind schwierige Kunden.»
Die Flüchtlinge arbeiteten nicht, putzten nicht, hätten die Waschmaschine kaputt gemacht, wollten nicht ausziehen. «Ich vermisse die Russen», sagt die Hoteldirektorin, «sie waren gute Touristen, immer in den Restaurants.»
Ich vermisse die Russen, sie waren gute Touristen.
Es gibt an der Küste aber auch Leute, die ohne Russen Chancen wittern. Zum Beispiel der Bürgermeister von Pomorie: «Ich hoffe, wir können kompensieren. Es ist nämlich so, dass Touristen aus einigen anderen Ländern – Polen, Frankreich, Rumänien – wegen der vielen Russen bisher nicht hierhergekommen sind. Das könnte sich nun ändern.»
Die Frage ist, ob es sich tatsächlich ändert – ob Bulgariens Schwarzmeerküste wirklich lernt, ohne Russen zu leben.