Fast täglich finden in Sudans Hauptstadt Khartum Proteste statt – wie auch in der Nachbarstadt Omdurman. Dort mischt sich die 29-jährige Heba unter die Demonstrierenden, wann immer sie kann. Das sei ihre Pflicht als Bürgerin des Sudan, sagt sie am Telefon. Denn Präsident Omar al-Baschir müsse weg.
Katastrophale Bilanz
«Es ist wichtig, dass alle an den Protesten teilnehmen», betont sie. Baschirs Regime sei seit 30 Jahren an der Macht. «Und uns fehlt es an allem.» Es gebe keine Menschenrechte, keinen Zugang zu Bildung. Gräueltaten seien unter dem Regime verübt worden, es habe blutige Konflikte gegeben in Darfur, in den Nuba-Bergen, am blauen Nil. Und die Wirtschaft sei am Boden.
«Selbst für Leute wie mich aus der Mittelschich ist das Leben schwierig geworden.» Viele Dinge seien nicht mehr erhältlich. Und wenn sie es seien, könne man sie sich nicht leisten. Und viele ihrer Landsleute litten noch viel stärker als sie selber, sagt die Projektmanagerin.
Brotpreis als Auslöser der Proteste
Am 19. Dezember 2018 nahmen die Proteste ihren Anfang. Der Auslöser war der Preis für Brot, welcher sich über Nacht mehr als verdoppelte, weil die Regierung die Subventionen strich. Das war ein harter Schlag in einem Land, in dem bereits die Hälfte der Bevölkerung in Armut lebt. Sudan steckt in einer schweren Wirtschaftskrise, die Inflation liegt bei rund 70 Prozent. In den Frust über die Wirtschaftslage mischt sich aber eine jahrelange Unzufriedenheit mit dem Regime.
Die Demonstrierenden sprechen gerne von «Revolution». Die Anzahl der Teilnehmenden ist immer noch relativ klein, aber offenbar gross und bedrohlich genug für das Regime Bashirs. Vor einer Woche rief er den Notstand aus. Seither sind Versammlungen ohne Bewilligung verboten, die Polizei kann jeden anhalten und durchsuchen. Es dürfen ad-hoc-Gerichte errichtet werden. Allein in der Nacht auf Freitag wurden mehr als 800 Demonstrierende durch solche Gerichte verurteilt. Zu Geldstrafen oder Gefängnis.
Viele landen im Gefängnis
Das schreckt die 29-jährige Heba nicht ab. Und trotzdem will sie nicht mit vollem Namen genannt werden. Viele ihrer Freunde sind in den letzten zwei Monaten im Gefängnis gelandet. Auch die 32-jährige Maschineningenieurin Walaa traf es, weil sie einen winzigen Protestmarsch in ihrer Heimatstadt veranstaltet hatte. Nur ihre Familie und Freunde nahmen daran Teil. Walaa müsste für einen Tag ins Gefängnis. Die Klage gegen sie wurde schliesslich fallengelassen.
Doch für die Maschineningenieurin ist wichtig, dass der Kampf weitergeführt werde, bis Baschir zurücktrete und es einen Regimewechsel gebe. Denn der Langzeitpräsident sei ein Mörder: «Er ist ein Mann, der das Leben nicht respektiert.» So einer solle kein Land führen dürfen.
Baschir, ein Meister des Machtkalküls
Baschir ist unter Druck. Er scheint darauf mit Veränderungen im Gefüge des Regimes zu reagieren. Vor einer Woche hat er alle Regionalgouverneure durch Offiziere ersetzt und damit klar das Militär gestärkt.
Und jetzt hat er das Präsidium seiner Partei abgegeben. Das ebnet theoretisch den Weg für einen neuen sudanesischen Regierungschef. Doch der Mann ist ein Meister des Kalküls. Nicht umsonst konnte er sich drei Jahrzehnte an der Macht halten. Was der Langzeitpräsident im Schilde führt, wird sich erst noch zeigen.