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Prozess gegen Harvey Weinstein «Es wird auf die Glaubwürdigkeit der Opfer ankommen»

In New York hat der Prozess gegen den früheren Hollywood-Mogul Harvey Weinstein begonnen – über zwei Jahre nach Bekanntwerden der Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe. Mehr als 80 Frauen, darunter bekannte Schauspielerinnen wie Angelina Jolie, Ashley Judd, Uma Thurman oder Salma Hayek, haben Weinstein in den vergangenen Jahren sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Viele von ihnen werden als Zuschauer im Gericht erwartet.

Der Prozess, der mehrere Wochen dauern könnte, dreht sich aber nur um die Vorwürfe von zwei Frauen – eine von ihnen soll Weinstein 2006 zum Oral-Sex gezwungen haben, die andere soll er 2013 vergewaltigt haben. Bei einer Verurteilung droht dem 67-Jährigen eine lebenslange Haftstrafe. Er hat alle Vorwürfe zurückgewiesen und spricht von einvernehmlichen sexuellen Handlungen. Der Ausgang des Prozesses sei offen, sagt USA-Korrespondent Thomas von Grünigen, der für SRF vor Ort ist.

Thomas von Grünigen

USA-Korrespondent, SRF

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Thomas von Grünigen ist seit Januar 2015 SRF-Korrespondent in New York. Zuvor arbeitete er in der «Rundschau»-Redaktion von SRF. Seine ersten Schritte im Journalismus machte er beim US-Sender ABC News und beim Lokalsender TeleBärn. Er hat an den Universitäten Freiburg und Bern sowie an der American University in Washington DC Medienwissenschaft, Journalistik und Anglistik studiert.

SRF News: Wie stehen die Chancen für eine Verurteilung?

Thomas von Grünigen: Wie oft bei solchen Vorwürfen ist die Beweislage schwierig. Es wird auf die Glaubwürdigkeit der Opfer ankommen. Sind ihre Aussagen glaubhaft oder gelingt es der Verteidigung, Erinnerungslücken, Widersprüche oder zweifelhafte Motive aufzudecken – beispielsweise mit E-Mails und Textnachrichten, die zwischen den mutmasslichen Opfern und Weinstein ausgetauscht wurden. Die Staatsanwaltschaft wird versuchen, mit Aussagen von mehreren weiteren betroffenen Frauen, die wegen verjährter Vorwürfe nicht Teil der Anklage sind, das Bild eines Serientäters zu zeichnen. Der Ausgang des Prozesses ist offen.

Über 80 Frauen beschuldigen Harvey Weinstein wegen sexueller Übergriffe – warum sind nur zwei Fälle vor Gericht?

Nicht alle Taten, die Weinstein vorgeworfen werden, sind strafrechtlich relevant. Viele Fälle sind verjährt, zum Beispiel solche, die sich in den 90er-Jahren zugetragen haben. In manchen Fällen verzichten Opfer auf strafrechtliches Vorgehen, sei es aus privaten Gründen, oder zum Beispiel, weil die Beweislage schwierig ist. New York ist nur für einen Teil der Taten Gerichtsort – andere Verfahren sind anderswo hängig.

Weitere Anklage in Los Angeles

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Harvey Weinstein muss sich in einem weiteren Strafprozess in Kalifornien vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft in Los Angeles teilte mit, dass in zwei Fällen Anklage wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung erhoben wurde.

Die Vorwürfe stammen von zwei nicht namentlich genannten Frauen. Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft wurden sie im Jahr 2013 in Hotels in Beverly Hills Opfer von Weinsteins Übergriffen. Im Falle einer Verurteilung drohen dem 67-Jährigen bis zu 28 Jahre Haft.

Seit ein paar Stunden laufen die Gerichtsverhandlungen. Was passiert zurzeit im Gericht?

Heute geht es eher um die Planung des Prozesses, ab morgen dann um die Auswahl der Geschworenen, was ein sehr heikler Vorgang ist. Bei einem so öffentlichen Prozess ist es schwierig, unvoreingenommene Jury-Mitglieder zu finden, die den Prozess nicht für ein politisches oder gesellschaftliches Statement missbrauchen wollen, sondern nur basierend auf der Indizienlage entscheiden. Die Anwälte werden zum Beispiel soziale Medien der Jury-Kandidaten anschauen, sagte eine Anwältin von Weinstein. So sollen voreingenommene Jury-Mitglieder ausgefiltert werden können. Das Urteil hängt in hohem Mass von der Zusammensetzung der Jury ab.

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