Worum geht es? Die muslimische Minderheit der Rohingya wird in ihrem Heimatland Myanmar (auch: Burma) verfolgt. Mehr als 700'000 Menschen flohen 2017 aus Furcht vor Übergriffen des Militärs in dem mehrheitlich buddhistischen Land ins Nachbarland Bangladesch. Dort leben sie nun in überfüllten Lagern. Der Internationale Gerichtshof hat nun den Weg frei gemacht für einen Völkermord-Prozess gegen Myanmar. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen wies am Freitag in Den Haag eine Beschwerde des Militärregimes des südostasiatischen Landes in allen Punkten zurück. Gambia hatte Myanmar wegen des Völkermordes an der muslimischen Rohingya-Minderheit vor den Gerichtshof gebracht. Vertreter der Militärführung hatten aber erklärt, dass das Gericht nicht zuständig sei.
Wie viele Rohingya gibt es? Es gibt Berichte von 750'000 bis zu zwei Millionen Rohingya im Gebiet von Myanmar. Etwa eine Million weiterer Rohingya sollen als Flüchtlinge in Bangladesch und weiteren Staaten leben. Die Rohingya leben um die Städte Buthidaung und Maungdaw im nördlichen Teil des Staates Rakhine im Westen Myanmars. Weitere grosse Communitys gibt es ausser in Bangladesch in Pakistan, Saudi-Arabien, Malaysia und Thailand.
Warum werden die Rohingya verfolgt? Es gibt in Myanmar viele verschiedene ethnische Gruppen – und die Konflikte beschränken sich nicht auf den Bundesstaat Rakhine. Das Zusammenleben klappt allgemein sehr schlecht. Die Muslime und die Rohingya werden aber besonders stark diskriminiert. Die antimuslimischen Ressentiments sind bei der buddhistischen Mehrheit in Myanmar sehr gross.
Wie kam es zur Völkermord-Klage? Die aktuelle Krise begann mit einem Überfall auf drei Polizeiposten in Myanmar an der Grenze zu Bangladesch im Oktober 2016. Rohingya-Rebellen töteten neun Polizisten. Daraufhin riegelte die Armee Teile des Gliedstaates Rakhine ab. Das Militär startete eine Offensive gegen die gesamte Rohingya-Bevölkerung. Dörfer wurden geplündert und abgebrannt. Es kam zu Exekutionen und Vergewaltigungen. Viele Menschen wurden vertrieben und getötet. Die UNO hat die Armeeangriffe auf die Rohingya in Myanmar als mutmassliche ethnische Säuberung kritisiert. Die damalige Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi stellte die Rohingya als Terroristen dar.
Wer hat geklagt? Die Klage wegen Völkermords gegen das südostasiatische Land war 2019 vom westafrikanischen Gambia im Namen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit eingebracht worden.
Wieso klagt Gambia? Als Gambia 2019 die Klage gegen Myanmar eingereicht hat, war der damalige Justizminister Gambias sehr engagiert, was Völkerrecht und Völkerstrafrecht anbetrifft. Thomas Verfuss, SRF-Mitarbeiter in Den Haag, sagt: «Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit. Gambia ist ein muslimisches Land und Mitgliedsstaat der Organisation der Islamischen Staaten. Aber nur ein individuelles Land kann beim Internationalen Gerichtshof eine Klage einreichen. Und da hat man sich Gambia ausgesucht.» Andere, reichere muslimische Staaten würden die Klage wohl mitfinanzieren.