Was ist damals passiert? In der italienischen Hafenstadt Genua ist am 14. August 2018 eine vierspurige Autobahnbrücke mit 40 Metern Höhe eingestürzt. 43 Menschen starben, 400 Menschen wurden laut dem damaligen Staatssekretär im Verkehrsministerium, Edoardo Rixi, obdachlos. Es war damals nicht die erste Brücke, die in Italien zusammengebrochen ist.
In der Nähe der Brücke wurden nach dem Einsturz vorsichtshalber Gebäude geräumt. Ein Untersuchungsbericht ist zum Schluss gekommen, dass die Brücke nicht richtig gewartet worden war. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft in Genua im Februar dieses Jahres Anklage gegen 59 Personen und zwei Firmen erhoben.
Wer ist angeklagt? Unter den 59 Angeklagten sind Giovanni Castellucci, der ehemalige CEO des früheren privaten Autobahnbetreibers Autostrade per l'Italia (heute Atlantia, verstaatlicht), und das ihm unterstellte Ingenieurbüro Spea. Ebenfalls müssen sich Beamte des Transportministeriums vor Gericht verantworten.
Ihnen wird mehrfache fahrlässige Tötung, Verstoss gegen die Sicherheit im Strassenverkehr, Falschaussage und Unterlassung von Amtshandlung vorgeworfen. Die Firma Autostrade per l'Italia und ein Wartungsunternehmen werden nicht angeklagt, weil sie nach dem Unglück in die «Obhut des Staates» gelangten, so Italien-Korrespondent Peter Vögeli. Sie wurden mit einer Busse von 30 Millionen Euro abgestraft.
Wie wichtig ist die Schuldfrage für die Bevölkerung? Die Vorsitzende einer Opfervereinigung schreibt, dass es um den Fall still geworden sei und die Schwere des Geschehenen unterschätzt werde. «Wir Familienangehörigen warten mit Spannung darauf, dass der Weg weitergeht.» Für den Opferanwalt Raffaele Caruso steht für Italien viel auf dem Spiel, wie er gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sagt. «Wenn die Schuldigen nicht gefunden werden und es keine Urteile gibt, verlieren die Menschen den Glauben an das Justizsystem.»
Wie steht es um den Wiederaufbau? Offiziell wurde die neue San-Giorgio-Brücke am 3. August 2020 unter Schweigeminuten für die Toten eingeweiht. Über tausend Arbeiterinnen und Arbeiter haben in 18 Monaten 19 Brückenteile auf 18 Pfeiler hochgezogen – ein Rekordtempo. Normalerweise dauere ein solches Projekt über ein Jahrzehnt, so Peter Vögeli. Ein Brand auf der Baustelle hat zudem die Wiederaufbauarbeiten unterbrochen.
Wie geht es weiter? Der Prozess wird gleich nach dem Auftakt am Donnerstag für zwei Monate vertagt – während der gesamten Sommerferien. Danach soll es im September weitergehen. Allerdings wird der Prozess noch lange dauern. «Sicher ein Jahr, eher aber zwei Jahre, meiner Meinung nach wird es vor 2024 kein Urteil geben», sagte kürzlich der genuesische Gerichtspräsident Enrico Ravera gegenüber dem Lokalsender Primocanale.