- Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont hält zwar grundsätzlich an der Unabhängigkeit Kataloniens fest, doch eine einseitige Unabhängigkeitserklärung machte er nicht.
- Stattdessen will Puigdemont den Prozess aussetzen, um in den nächsten Wochen einen Dialog und eine Vermittlung mit Madrid einzuleiten.
- Eine erste Reaktion aus Madrid ist allerdings zurückweisend: die «implizite» Unabhängigkeitserklärung sei unzulässig.
Puigdemont schlug in seiner Rede am Dienstagabend vor dem Regionalparlament in Barcelona vor, dass das Parlament die Auswirkungen einer Unabhängigkeitserklärung aussetzt, um zunächst Gespräche zu führen. Puigdemont betonte die Notwendigkeit, im Katalonien-Konflikt «die Spannungen zu reduzieren».
Hoffen auf internationale Vermittlung
Der katalanische Regierungschef rief die spanische Zentralregierung zum Dialog auf und sprach sich erneut für eine internationale Vermittlung aus. Er sei überzeugt, dass der Konflikt mit Spanien auf dem Verhandlungsweg gelöst werden könne.
Als Zeichen des Dialogs wechselte Puigdemont mitten in seiner Rede von Katalanisch auf Spanisch. Dies sei eine Botschaft der Besonnenheit und des Respekts.
Puigdemont bat um Verständnis für den Unabhängigkeitswunsch vieler Katalanen. «Wir sind keine Verbrecher, keine Verrückten, keine Putschisten». Und man habe nichts gegen Spanien und die Spanier.
Wir sind keine Verbrecher, keine Verrückten, keine Putschisten.
Die Rede wurde in Spanien und ganz Europa mit grosser Spannung verfolgt, da erwartet wurde, dass Puigdemont einseitig die Unabhängigkeit Kataloniens erklären werde. Dies tat er jedoch vorerst nicht.
Zwei Bilder, die auf Twitter kursierten, zeigen den historischen Moment: Nach den ersten Worten von Puidgemont herrscht Euphorie, kurz darauf bittere Enttäuschung, als der Regierungschef die Unabhängigkeit vertagte.
Druck aus dem In- und Ausland
Bei dem von der spanischen Zentralregierung und Justiz als rechtswidrig eingestuften Referendum hatten sich am 1. Oktober 90 Prozent der Abstimmenden für eine Unabhängigkeit Kataloniens ausgesprochen.
Die Beteiligung lag allerdings bei lediglich 43 Prozent, viele Gegner einer Unabhängigkeit boykottierten die Abstimmung.
Zuletzt war der Druck aus dem In- und Ausland auf die Regionalregierung gewachsen, von einer Unabhängigkeitserklärung abzusehen. Die Zentralregierung in Madrid richtete kurz vor der Rede einen eindringlichen Appell an Puigdemont, auf einen solchen Schritt zu verzichten.
Katalonien wartet auf die Rede Puigdemonts: Der Tag in Bildern
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Bild 1 von 9. Schon am frühen Morgen sperrt die katalanische Polizei, die Mossos d'Esquadra, den Park um das Regionalparlament in Barcelona ab. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 9. Auf den Aufruf verschiedener Organisationen und Parteien machen sich die Befürworter der Unabhängigkeit auf den Weg zum Parlamentsgebäude – auch mit Traktoren. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 9. Puigdemont (Mitte) trifft sich derweil mit seinem Vize Oriol Junqueras (Links) Sprecher Jordi Turull (R) zu einer Kabinettssitzung. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 9. Junge Katalanen verkürzen sich die Wartezeit auf die Rede mit Kartenspielen auf einer Fahne. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 9. Letzte Besprechungen von Puigdemont: Was wird er in seiner Rede verkünden? Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 9. Weitere Demonstranten versammeln sich, um der Rede zu lauschen – beobachten von Medienleuten aus der ganzen Welt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 9. Puigdemont trifft im Regionalparlament ein. Doch die Sitzung wird um eine Stunde auf 19 Uhr verschoben. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 9. Endlich. Um 19.13 Uhr beginnt der katalanische Regierungschef seine Rede. Tausende verfolgen gebannt seine Worte, die auf Grossleindwände übertragen werden. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 9. Doch eine Unabhängigkeitserklärung gibt es nicht: Puigdemont setzt vielmehr auf Dialog mit Madrid. Es sei eine Deeskalation nötig. Bildquelle: Keystone.