Fast zwei Jahre sind seit dem versuchten Putsch in Brasilien vergangen – nun hat die Polizei einen Bericht dazu veröffentlicht. Darin wird auch der frühere Präsident Jair Bolsonaro schwer belastet: Bolsonaro soll nicht nur von den Vorbereitungen für einen Putsch gewusst haben, sondern einer der Drahtzieher des Komplotts gewesen sein. In dem fast neunhundertseitigen Rapport heisst es weiter: Bolsonaro habe auch gewusst, dass es einen Plan zur Ermordung seines Nachfolgers Luis Inácio Lula da Silva gegeben habe. Bolsonaro selbst hat seine Unschuld wiederholt beteuert.
Der Putschversuch vom 8. Januar 2023 war der wohl schwerste Angriff auf die brasilianische Demokratie seit dem Ende der Militärdiktatur 1985. Die Ereignisse erinnerten an den Sturm aufs US-Kapitol zwei Jahre zuvor, und doch war das, was damals in Brasilien geschah, in seiner Dimension deutlich grösser: Um die 5000 Aufständische liessen ihrer Wut über die Wahlniederlage des radikalen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro freien Lauf – kurz nach dem Amtsantritt von Brasiliens Präsident Lula da Silva. Der Angriff richtete sich gegen die drei Staatsgewalten Brasiliens im Zentrum der Hauptstadt Brasilia: Die Bolsonaro-Anhängerinnen und -Anhänger randalierten im Präsidentschaftspalast, im Parlamentsgebäude und im obersten Gericht des Landes.
Kriminelle Verschwörung mit Bolsonaro an der Spitze
Fast zwei Jahre lang ermittelte die Polizei und sagt nun: Bolsonaro und seine Verbündeten hätten das Ziel gehabt, Lulas Machtübernahme zu verhindern. Und gescheitert sei der Staatsstreich im Januar 2023 schliesslich nur, weil das Militär nicht mitgemacht habe. Die Polizei spricht von einer kriminellen Verschwörung mit Bolsonaro an der Spitze.
Sie stützt sich auf Beweise wie Hausdurchsuchungen, Abhörmassnahmen, Finanzunterlagen und Zeugenaussagen. Insgesamt 37 Mitverschwörer empfiehlt die Polizei zur Anklage – darunter auch der ehemalige Marine-Chef Admiral Almir Garnier Santos und der inzwischen pensionierte Verteidigungsminister General Walters Braga Netto.
Nun ist der brasilianische Generalstaatsanwalt am Zug: Er muss entscheiden, ob er jetzt Anklage erhebt gegen Bolsonaro. Es wäre ein herber Schlag für jene Bolsonaristen, die von einem Comeback Jair Bolsonaros bei den Wahlen 2026 träumen. Im Falle einer Verurteilung drohen Bolsonaro bis zu elf Jahre Gefängnis.
Ein allfälliger Prozess dürfte für die brasilianische Justiz und für die stark polarisierte Gesellschaft zum Stresstest werden – und zur Zerreissprobe für die brasilianische Demokratie.