Die Jubilee-Cover-Band spielt «Summer Time», doch im Westen ziehen dunkle Wolken auf. In der Whitton High Street in Twickenham lässt sich davon niemand die Laune verderben. Gegen Tausend Quartierbewohnerinnen und -bewohner haben sich zur Jubiläumsparty eingefunden.
Sie wären auch bei strömendem Regen gekommen, davon ist Garem, der Präsident des Quartiervereins, überzeugt. Die Queen sei ja nicht irgendwer. «Seien wir ehrlich – die Queen ist nicht nur das Oberhaupt Grossbritanniens, sondern der ganzen Welt. Sie ist eindeutig die mächtigste Person und die meist respektierte Frau auf diesem Planeten.»
Seit 70 Jahren sei sie nun im Amt und habe dieses makellos und würdevoll ausgeübt, sagt Garem. Das fasziniere alle, «darüber ist sich die ganze Welt einig.»
Deshalb hat man in Twickenham alle Register gezogen. Die Jubilarin ist zwar nicht da, aber trotzdem präsent: aus Karton, Styropor und Marzipan. Sie lächelt auf unzähligen Jubiläumsflaggen.
Das Blumengeschäft verkauft königliche Geranien und selbst das örtliche Bestattungsinstitut Sanders & Söhne gratuliert der 96-jährigen Monarchin im Schaufenster zu ihrer langen Regentschaft.
Auf der Strasse das bunte Leben. An langen Tischen trinken und feiern die Untertanen ihre Monarchin. Dank der Königin sei das Land wieder vereint, meint eine Frau. Viele tanzen zu Disco-Klängen auf der Strasse. Das Thronjubiläum als erholsames Kontrastprogramm zur Dramatik des politischen Alltags.
Politiker kommen und gehen. Die Queen war immer da. Einige sind ihr persönlich begegnet, wie der 72-jährige Robert. Vor seiner Pensionierung war er Stationsvorsteher in Peterborough, dort habe 1991 eine Ausstellung stattgefunden, erzählt er: «Meine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass der Zug mit der Queen am richtigen Ort hält.»
Danach sei er der Königin beim Einsteigen behilflich gewesen. Sie habe ihm zum Dank die Hand geschüttelt. «Ich war so aufgeregt, dass ich nicht mehr weiss, worüber wir gesprochen haben.» Während die Begegnung Robert noch 30 Jahre später ein Lächeln ins Gesicht zaubert, setzen in Twickenham auf einer Grossleinwand die Coldstream-Guards ihre Instrumente an.
«God save the Queen»: Es ist nicht allein ihre Langlebigkeit, die zum Anwachsen ihrer Popularität beigetragen hat. Im Zeitalter der sozialen Medien, in dem jede und jeder ständig und überall seine Befindlichkeit der ganzen Welt kundtut, übt sich die Queen seit 70 Jahren in majestätischer Zurückhaltung.
Vielleicht sei dies das Geheimnis ihres Erfolgs, meint Rob: «Stellen Sie sich diese Bürde vor: Jeden Tag mit Leuten sprechen, die Sie nicht kennen, Spitäler eröffnen, Fabriken besuchen, Ehrengarden abmarschieren, Tischreden halten, immer lächeln und die Meinung für sich behalten. Das bewundern die Leute.»
Ein Inbegriff von Stabilität
Die Vorstellung, ein US-Präsident oder eine Schweizer Bundesrätin würden 70 Jahre im Amt verbleiben, erscheint absurd. Nicht so bei der Queen. Sie verkörpert Gelassenheit und Stabilität in instabilen Zeiten und wird dafür verehrt.
Sie gehört zum öffentlichen Inventar und niemand kann sich vorstellen, dass sie einmal nicht mehr da sein könnte. Obwohl allen bewusst ist, dass in diesen Tagen nicht nur ein Jubiläum gefeiert wird, sondern ebenso der Beginn eines unausweichlichen Abschieds.