Darum geht es: Mit der Europameisterschaft rücken Fälle von Rechtsextremismus im Fussball wieder in den Fokus. So hat eine Gruppe österreichischer Fussballfans für einen Rassismus-Eklat gesorgt, als sie vor dem Achtelfinalspiel am Dienstagabend in Leipzig die rassistische Parole «Deutschland den Deutschen, Ausländer raus» grölten.
Beim selben Spiel, bei dem die Türkei mit 2:1 gegen Österreich gewonnen hatte, sorgte auch der türkische Nationalspieler Merih Demiral für Schlagzeilen. Nach seinem zweiten Treffer formte der 26-Jährige bei seiner Jubelgeste mit den Händen den sogenannten «Wolfsgruss».
Dafür steht der «Wolfsgruss»: Der «Wolfsgruss» ist ein Symbol der rechtsextremen und als ultranationalistisch geltenden Gruppierung «Graue Wölfe» in der Türkei. «Ihre Ideologie enthält zum einen rassistische Elemente, die sich gegen Armenier und Kurden richten. Zum anderen äussern sie sich auch antisemitisch», weiss Ismail Küpeli, Politikwissenschaftler an der Ruhr-Universität Bochum und fügt hinzu: «Diese Ideologie ist sehr demokratiefeindlich und feindselig gegenüber einer Vielzahl von Bevölkerungsgruppen.»
Entstanden sei sie im letzten Jahrhundert unter der Herrschaft der Jungtürken, so Küpeli. «Diese waren für den Genozid von 1915 verantwortlich, bei dem über eine Million Armenier umgebracht wurden.» Daraufhin habe sich eine extrem rechte Bewegung entwickelt, die spätestens in den 1940er-Jahren an die Öffentlichkeit gelangte.
Darum kommt es unter Fussballfans zu rechtsextremistischen Vorfällen: Fussball biete einen grossen Nährboden für Rechtsextremismus und Rassismus, sagt Felix Neumann von der Konrad-Adenauer-Stiftung. «Das hat einerseits damit zu tun, dass man als Einzelperson in der Masse untergeht. Man fühlt sich als Teil einer Gruppe und somit kann sich das Ganze aufschaukeln.» Ausserdem würden sich die Fans in der Masse sicherer fühlen.
«Auf der anderen Seite muss man natürlich sagen, dass gerade bei Nationalspielen die Fans, die eben nicht nur die eigene Nationalmannschaft unterstützen, sondern nationalistisch angehaucht sind, noch mal eine ganz andere Motivation haben, ihr rechtsextremistisches Gedankengut zu verdeutlichen und zu äussern», so Neumann.
Das wird gegen Rechtsextremismus-Vorfälle getan: «Es gibt viele positive Beispiele, bei denen Nationalmannschaften – als auch Länderverbände und Vereine in den einzelnen Landesligen – auf solche Vorfälle reagiert haben», sagt Neumann. Beim jüngsten Fall mit dem «Wolfsgruss» hat die Uefa eine Untersuchung eingeleitet. Solche Aktionen seien auch am wirksamsten, sagt Neumann. «Vor allem dann, wenn bei einzelnen Spielern die Mannschaft Position bezieht und ganz klar sagt, dass entsprechende Gesten oder Äusserungen nicht in Ordnung sind.»
Zum anderen gebe es Sensibilisierungsprojekte vor Ort in den Stadien und Anlaufstellen für Betroffene, so Neumann. Auch Spielerinnen und Spieler hätten sich schon öffentlich zu solchen Vorfällen geäussert und ihre mediale Reichweite genutzt. Trotzdem gebe es noch Luft nach oben, meint Neumann und denkt beispielsweise an Stadionverbote. «Bei der Europameisterschaft ist dies eher schwieriger, aber in nationalen Ligen oder in der Europa- oder Champions-League könnte es durchaus machbar sein.»