- Knapp zwei Wochen nach den Parlamentswahlen in Irland hat Regierungschef Leo Varadkar seinen Rücktritt erklärt.
- Im Einklang mit der Verfassung bleiben Varadkar und seine Minister aber im Amt, bis ein neuer Premierminister und ein neues Kabinett ernannt sind.
- Am Donnerstag war es erwartungsgemäss keiner der drei grossen irischen Parteien gelungen, bei der Wahl des Regierungschefs ausreichend Stimmen zu bekommen.
Bei den Wahlen vor knapp zwei Wochen hatte die linksgerichtete Partei Sinn Fein überraschend die beiden etablierten, bürgerlichen Parteien – Varadkars Fine Gael sowie Fianna Fail – vom Thron gestossen. Damit wurde ein politischer Umbruch in der Republik Irland eingeleitet.
Varadkars konservative Partei Fine Gael landete mit lediglich 35 der 160 Sitze im Unterhaus auf dem dritten Platz. Varadkars Rücktritt war deshalb erwartet worden. Die ebenfalls konservative Partei Fianna Fail errang 38 Mandate und ist damit stärkste Kraft im Parlament.
McDonald mit den meisten Stimmen
Die linksgerichtete Sinn Fein errang zwar einen historischen Wahlsieg und holte mit 24,5 Prozent die meisten Stimmen. Aufgrund des komplizierten irischen Wahlsystems ist sie aber im Unterhaus mit 37 Sitzen nur zweitstärkste Kraft.
Irland steht eine extrem schwierige Regierungsbildung bevor. Die Sinn-Fein-Vorsitzende Mary Lou McDonald will Premierministerin werden. In der konstituierenden Sitzung des neuen Unterhauses am Donnerstag stimmten jedoch nur 45 Abgeordnete für sie. Auf den Fianna-Fail-Chef Micheal Martin entfielen 41 Stimmen. Für die Wahl zum Premierminister werden mindestens 80 Stimmen gebraucht.
Eine lange Zeit geächtete Partei
Fine Gael und Fianna Fail, die seit der Unabhängigkeit Irlands fast immer abwechselnd die Regierung gestellt oder zusammen regiert hatten, schlossen eine Zusammenarbeit mit Sinn Fein aus.
Die Partei war der einstige politische Flügel der bewaffneten Untergrundorganisation IRA und strebt ein vereintes Irland an – mit dem zu Grossbritannien gehörenden Nordirland. Lange Zeit wurde die Partei geächtet. Kritiker werfen Sinn Fein noch heute vor, dass an ihr Blut klebe.
Sinn-Fein-Vorsitzende Mary Lou McDonald hatte im Wahlkampf auf soziale Themen wie die Wohnungskrise gesetzt und vor allem jüngere Wähler angesprochen. Sie hatte angekündigt, die erste Premierministerin ihres Landes zu werden und vorzugsweise mit den kleineren linksgerichteten Parteien über eine Regierungsbildung zu sprechen.
Sollte es zu einer Regierungsbeteiligung von Sinn Fein kommen, dürfte die Forderung nach einem baldigen Referendum über die irische Wiedervereinigung in Dublin zur offiziellen Regierungslinie werden. Das würde auch die Brüsseler Verhandlungen mit London über die künftigen Beziehungen nach Ende der Brexit-Übergangszeit betreffen.