Vergiftet war das Klima heute im Senat: Matteo Salvini und Luigi Di Maio mieden sich wie ein zerstrittenes Paar, das nur noch auf die Scheidung wartet und sich nichts mehr zu sagen hat. Die Kussszene, mit der ein Wandmaler in Rom vor einem Jahr die beiden zeigte, ist ein Werk für ein Museum, das sich mit der Vergangenheit beschäftigt. Nicht mit der Gegenwart.
Die Cinque-Stelle-Senatoren, die die Motion gegen die neue Schnellbahnlinie zwischen Turin und Lyon lanciert hatten, riskierten die vorhersehbare Blamage. Denn sie wollten ganz deutlich machen, dass sie mit Salvini nun wirklich gar nichts mehr verbindet. Dass sie ihn für unausstehlich halten.
Ein Himmelfahrtskommando
Tollkühn heikel war die Operation aber auch, weil sich der Premierminister Giuseppe Conte vor zwei Wochen nach langem Hin und Her zum Entscheid durchrang, dass die Schnellverbindung doch fertiggestellt werden sollte. Denn ein Verzicht darauf käme nicht zuletzt wegen der zu bezahlenden Entschädigungssummen sehr teuer zu stehen.
Und: Ein Ausscheren hätte in der ganzen EU das Kopfschütteln über diesen nicht glaubwürdigen Sonderlings-Staat Italien noch verstärkt. Die Motion im Senat war ein Ehrenrettungsversuch jener Cinque-Stelle-Senatoren, die demonstrieren wollten, dass sie ihrem Rütlischwur – die Schnellverbindung werde nie und nimmer auf jeden Fall nicht mit ihnen gebaut – treu bleiben würden.
Der Übervater verliert die Fassung
Es war ein Versprechen, an das die Gegner der Bahnlinie im piemontesischen Val-di-Susa-Tal und weit darüber hinaus felsenfest geglaubt hatten. Es war für die Cinque Stelle ein Gründungseckstein. Kein Wunder, dass auch ihr Übervater, der Komiker Beppe Grillo, vor zwei Wochen die Fassung verlor, als er vom brüsken Kurswechsel erfuhr.
Voraussehbar war freilich, dass die stolze Aktion im Senat übel enden würde. Und so kam es dann auch: die Harakiri-Operation der wackeren Cinque-Stelle-Senatoren ging perfekt auf. Premierminister Conte, immerhin ein Mitglied der CinqueStelle, wurde von den eigenen Parlamentariern blossgestellt.
Mit ihm wurde auch Vize-Premier Di Maio desavouiert. Dieser war zwar stets ein Gegner der Schnellverbindung, musste aber wohl oder übel Contes Entscheid akzeptieren. Jetzt ist deutlich: Beide haben ihre Truppen nicht unter Kontrolle.
Salvinis Oppositionsängste
Der Sieger ist auf den ersten Blick einmal mehr Lega-Strongman Salvini. Aber auch er ist unzufrieden, weil er seine wichtigsten Anliegen nicht durchbringt: Er will drastische Steuersenkungen bei gleichzeitig massiven Investitionsspritzen, doch da möchte die EU angesichts des riesigen Schuldenbergs des Belpaese ein Wörtchen mitreden.
Auf die lange Bank geschoben wurde auch der Wunsch der Nordregionen für mehr Autonomie, sprich weniger Geld für das subventionshungrige Süditalien. Wenn da nichts geschieht, weil sich der Meridione mit allen Mitteln dagegen wehrt, könnte das den Lega-Chef im eigenen Kerngebiet viele Sympathien kosten.
Noch hat sich Salvini nicht entschieden, die Krise offiziell auszurufen und die Koalition mit den Cinque Stelle zu beenden. Er steht zwar sehr gut in den Umfragen da und kann mit einem Wahlsieg rechnen. Aber er befürchtet, dass Präsident Sergio Mattarella zunächst – solange das Budget für das nächste Jahr nicht geschnürt ist – eine Sachwalterregierung berufen könnte, die dann dauert und dauert – während der Salvini in der Opposition versauert.