- In Italiens Regierungskrise ist die Suche nach einer Mehrheit für das bisher regierende Kabinett gescheitert.
- Staatschef Sergio Mattarella forderte in einer kurzen Ansprache, in kürzester Zeit Beratungen für eine Regierung aufzunehmen, die das Land durch den aktuellen Notstand führen kann.
- Zugleich sagte der Staatspräsident, er wolle wegen der Pandemie derzeit keine vorgezogenen Wahlen erwirken.
- Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte vor einer Woche seinen Rücktritt eingereicht.
Nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche hat Italiens Staatschef Sergio Mattarella die Bildung einer Einheitsregierung gefordert. «Ich fühle mich verpflichtet, an alle im Parlament anwesenden politischen Kräfte zu appellieren, einer hochrangigen Regierung Vertrauen zu schenken, die sich mit keiner politischen Formel identifizieren sollte», sagte er.
Mattarella bestellt Draghi zum Gespräch ein
Kurz darauf verbreitete sein Amtssitz, dass der frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, für Mittwoch zu Gesprächen in den Quirinalspalast geladen wurde.
Draghi war seit Wochen als Chef einer Expertenregierung in Rom im Gespräch. Eine solches Kabinett wäre voraussichtlich eine Lösung für die kommenden Wochen oder Monate, um Italien durch seine drängendsten Probleme in der Corona-Pandemie zu führen. Mattarella hatte zuvor eine stabile Regierung verlangt, die im besten Fall bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2023 hält. Eine solche Regierung mit dem bisherigen Mitte-Links-Bündnis unter Giuseppe Conte gilt nach dem Scheitern der Gespräche als vom Tisch.
Fico hätte es Richten sollen
In den Sondierungen hatte der Präsident der Abgeordnetenkammer, Roberto Fico, den Auftrag gehabt, die alten Bündnispartner an einen Tisch zu bringen und einen Kompromiss auszuhandeln. Schliesslich verkündete Mattarella am Dienstagabend, dass es gegenwärtig keine Bereitschaft gebe, «eine Regierungsmehrheit ins Leben zu rufen».
Mattarella blieben damit zwei Auswege, wie er in seiner Erklärung sagte: Sofort eine neue Regierung anzuschieben oder vorgezogene Wahlen. «Der Weg der Neuwahlen muss in Betracht gezogen werden, weil er ein Element der Demokratie ist», sagte der Sozialdemokrat. In Anbetracht der aktuellen Pandemie-Notlage in dem Land mit rund 60 Millionen Einwohnern könne man sich jedoch einen monatelangen Wahlkampf nicht leisten, erklärte der 79-Jährige.
Schlammschlacht hat bereits begonnen
Für Italien stehen derzeit vor allem wichtige Hilfsgelder aus dem Corona-Wiederaufbaufonds der EU auf dem Spiel. Die Regierung muss dafür einen Investitionsplan vorlegen. An der Verteilung dieser Gelder war die Koalition jedoch auseinandergebrochen. Der Streit gipfelte im Austritt der Partei von Ex-Premier Matteo Renzi und wenig später im Rücktritt von Ministerpräsident Conte.
Die Regierung müsse funktionieren, denn der Plan für die milliardenschweren Hilfen werde im April bei der EU-Kommission erwartet. «Wir können es uns nicht leisten, diese entscheidende Chance für unsere Zukunft zu verpassen», sagte das Staatsoberhaupt.
Unterdessen begann nach den gescheiterten Sondierungsgesprächen bereits die Schlammschlacht der Parteien. Die Fünf-Sterne-Bewegung beschuldigte Renzi, es nur auf wichtige Ministerposten abgesehen zu haben. Umgekehrt warf Italia Viva den Sterne-Politikern vor, sich bei wichtigen Forderungen keinen Schritt bewegt zu haben.