- Der britische Premierminister Boris Johnson tritt von seinem Amt als Tory-Parteichef zurück.
- Der 58-Jährige ist damit in Kürze auch sein Amt als Regierungschef los.
- Boris Johnson sagte allerdings vor den Medien, er wolle im Amt bleiben, bis seine Nachfolge als Premierminister geregelt sei.
Vor seinem Amtssitz in der Downing Street 10 in London hatte sich der amtierende Premierminister nach dem Mittag an die britische Bevölkerung gewandt. «Ich möchte, dass Sie wissen, wie traurig ich bin, den besten Job der Welt aufzugeben.»
Reue zeigte Johnson nicht. Stattdessen kritisierte er in seiner gut sechsminütigen Stellungnahme die Rücktrittsforderungen seiner Partei als «exzentrisch». «Es ist nun eindeutig der Wille der konservativen Parlamentsfraktion, dass es einen neuen Parteichef geben soll und damit auch einen neuen Premierminister», sagte Johnson.
Offenbar hatte er noch versucht, seine Partei von seinem Verbleib zu überzeugen. «Ich bedauere, dass ich keinen Erfolg hatte mit diesen Argumenten, und natürlich ist es schmerzhaft, so viele Ideen und Projekte nicht selbst vollenden zu können.»
Ich möchte, dass Sie wissen, wie traurig ich bin, den besten Job der Welt aufzugeben.
Boris Johnson hat das Amt des Premierministers seit 2019 inne. Der Fahrplan für die Wahl seiner Nachfolge soll nächste Woche bekannt werden. Kurz vor seiner Rücktrittsankündigung hatte Johnson noch neue Minister ernannt. Noch am Mittwoch hatte der britische Premierminister gesagt, ein Rücktritt komme für ihn nicht infrage.
Nun scheint sich das Blatt also gewendet zu haben – und mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger können sich in Stellung bringen. Gemäss SRF-Korrespondent Michael Gerber werden unter anderem folgende Namen genannt:
Rücktrittsforderungen häuften sich
Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei hatte am Vormittag den erwarteten Rücktritt Johnsons begrüsst. Das seien «gute Neuigkeiten», sagte Starmer der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge. Er fügte hinzu: «Aber es hätte schon vor langer Zeit passieren sollen.» Fraglich ist, ob die Labour-Partei aus der jetzigen Regierungskrise Profit schlagen kann. Starmer zeigte sich diesbezüglich kämpferisch: Es reiche nicht, dass die konservative Partei ihre Führungsriege austausche, Grossbritannien verdiene nun eine neue politische Führung, und Labour sei dafür bereit, erklärte er.
Zuvor hatte der erst am Dienstag ins Amt berufene britische Finanzminister Nadhim Zahawi Johnson öffentlich zum Rücktritt aufgefordert: «Premierminister, in Ihrem Herzen wissen Sie, was das Richtige ist. Gehen Sie jetzt», schrieb Zahawi in einem auf Twitter veröffentlichten Brief an Johnson.
Die Krise, in der sich die Regierung befinde, werde nur noch schwerer, so Zahawi. «Dies ist nicht tragbar, und es wird nur noch schlimmer werden, für Sie, für die Konservative Partei und vor allem für das Land», erklärte Zahawi, nachdem mehr als 50 Minister und führende Regierungsmitarbeiter zurückgetreten waren.
Zahawi war erst vor weniger als 48 Stunden von Johnson ernannt worden, nachdem der vorherige Finanzminister Rishi Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid am Dienstag überraschend zurückgetreten waren und damit den Exodus in der Regierung losgetreten hatten, der Johnson immer stärker unter Druck setzte.
Am Donnerstag traten zudem Bildungsministerin Michelle Donelan, der Staatsminister für Sicherheit, Damian Hinds, und Nordirland-Minister Brandon Lewis zurück. Auch Verteidigungsminister Ben Wallace hatte Boris Johnson am Donnerstag zum Rücktritt aufgerufen.