Ein Jahr und fünf Monate hielt die Ehe zwischen der Österreichischen Volkspartei ÖVP und der Freiheitlichen Partei Österreichs FPÖ. Jetzt, wo Kanzler Sebastian Kurz die Scheidung verkündigt, bekommt er breite Zustimmung in der österreichischen Presse: «Ein Aufatmen geht durchs Land» (Salzburger Nachrichten), «Sebastian Kurz hat doch noch das Notwendige getan» (Der Standard), «Die FPÖ wird lange brauchen, um diesen Schaden wieder zu beheben» (Der Kurier).
Den ganzen Nachmittag hatte Kanzler Kurz nach den Rücktritten von Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Fraktionschef Johann Gudenus (beide FPÖ) sein Land warten lassen. Dann erklärte er: «Genug ist genug» und kündigte vorgezogene Neuwahlen an. Stattfinden werden sie wahrscheinlich im September.
Kurz schon im Wahlkampfmodus
Die Rede von Kurz klang wie Wahlkampf. «Eindeutig den Ton angeben» wolle er nach den Wahlen mit seiner ÖVP. Offenbar hofft Kurz auf eine absolute – oder zumindest eine stärkere – Mehrheit. Doch der Plan ist riskant. Tatsächlich liegt Kurz‘ ÖVP (34 Prozent) in der Umfrage der Tageszeitung Die Presse weit vor der SPÖ (27 Prozent) und der FPÖ (23 Prozent). Doch von da bis zur absoluten Mehrheit ist es ein weiter Weg.
Das bedeutet, dass Kurz auch nach den Wahlen mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Koalitionspartnerin braucht. Nach dieser hässlichen Scheidung gleich wieder mit der FPÖ ins Bett zu steigen ist nahezu undenkbar, auch wenn sich im Jahre 2003 solches in Österreich schon zugetragen hat.
Die Alpenrepublik steht vor schwierigem Wahlkampf
Aber auch die SPÖ kommt als Braut auch kaum infrage. Grund: das Kernstück der Politik von Sebastian Kurz ist die rigide Immigrationspolitik. Diese würde die SPÖ kaum mittragen. Im Klartext: Kurz hat das unausweichliche getan. Wie es weitergehen soll, liegt im Nebel. Sicher ist, Österreich steht ab sofort mitten in einem äusserst kontroversen Wahlkampf und höchstwahrscheinlich bald vor einer sehr schwierigen Regierungsbildung.