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Bangladesch: Viele Regimegegner noch immer im Spital
Aus Rendez-vous vom 09.09.2024. Bild: SRF/Maren Peters
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Regierungswechsel in Dhaka Bangladesch: Den Preis zahlen die Studierenden – noch immer

Mehr als 1000 Menschen kamen bei den Demonstrationen gegen die alte Regierung ums Leben. Viele junge Menschen liegen heute noch mit Schusswunden im Spital. Die alte Regierung wollte ihre Behandlung verhindern – mit Hilfe regimetreuer Ärzte.

Al Ahsan Mominul liegt mit nacktem Oberkörper auf seinem weiss bezogenen Krankenbett. Unterhalb des Bauchnabels klafft eine lange, grobe Narbe. Er sei bei der Demonstration am 18. Juli angeschossen worden, sagt der 22- jährige Student aus Dhaka. «Die Kugel hat meinen Magen durchschlagen. Ich bin schon vier Mal operiert worden.»

Die Behandlung könne noch Monate dauern. Weil die Kugel kleiner war als die üblichen Polizeikugeln, vermutet er die regierungsnahe, mächtige Studentenliga als Täter. Sie habe in der Zeit der Regierung von Sheikh Hasina regimekritische Studierende bespitzelt und gefoltert.

Angeschossene Studierende füllen eine ganze Spital-Etage

Al Ahsan Mominul hat die Schüsse überlebt – im Gegensatz zu vielen anderen. Mehr als 1000 Menschen sollen bei den Demonstrationen in Bangladesch seit Mitte Juli ums Leben gekommen sein, viele weitere liegen noch immer im Spital. Allein hier, im Medical College Hospital in der Hauptstadt Dhaka, füllen sie eine ganze Etage.

Menschen in einer belebten Krankenhausstation.
Legende: Nach den Protesten belegen die verletzten Studierenden noch immer ein ganzes Stockwerk im Medical College Hospital in Dhaka. SRF / Maren Peters

Nuruzzaman Khan, der leitende Arzt, hat mehr als 100 Patienten mit Schussverletzungen behandelt. Die meisten von ihnen sind jung. «Die, die noch hier sind, bleiben lange. Sie sind schwer verletzt», sagt der Arzt. Und noch immer würden Patienten sterben.

Was als Demonstration von Studierenden gegen Quoten für Regierungsjobs begann, weitete sich schnell zu landesweiten Unruhen gegen Premierministerin Sheikh Hasina aus. Diese hatte das Land 15 Jahre lang zunehmend autoritär regiert, und ihr Amt bis zuletzt mit brutaler Polizeigewalt verteidigt.

Im Bett neben Al Ahsan Mominul liegt Adham Amin, ein 16-jähriger Schüler. Er zeigt auf seine Beine. Auf dem linken Unterschenkel ist eine Einschussnarbe zu sehen. «Das linke Bein ist wieder gut. Aber das rechte wird wohl nie wieder werden wie früher.»

Mehrere Männer und eine Frau in Krankenhausbetten in einem Krankenhaussaalk.
Legende: Die Familie des Schülers Adham Amin hat Mühe, die Behandlungskosten aufzubringen. SRF / Maren Peters

Er habe friedlich demonstriert, beteuert er. Trotzdem habe die Polizei angefangen, zu schiessen. Auch aus Helikoptern und von Dächern. Dabei seien auch spielende Kinder und Menschen in Wohnungen getötet worden.

Die Polizei verfolgte Verletzte bis ans Krankenbett

Die Regierung Hasina verfolgte die Schwerverwundeten noch bis ins Spital. «Die Ärzte haben uns am Anfang kaum behandelt», sagt der Schüler Adham. Stattdessen habe die Polizei am Krankenbett Anzeige gegen ihn erstattet.

Der leitende Arzt Nuruzzaman Khan bestätigt das. Viele Ärzte seien von der alten Regierung eingesetzt worden, sagt Khan, der als Kritiker der Regierung jahrelang nicht praktizieren durfte. Die Regierung Hasina habe die Ärzte angewiesen, die verletzten Regime-Gegner nur notdürftig zu behandeln. Das habe sich erst mit der neuen Übergangsregierung Anfang August geändert.

Mann mit Brille und lila Hemd in einer belebten Halle.
Legende: Der Mediziner Nuruzzaman Khan hat als kritischer Arzt selbst unter der Regierung gelitten. SRF / Maren Peters

Bangladeschs Strafgerichtshof ermittelt inzwischen gegen die frühere Premierministerin Sheikh Hasina wegen Genozids und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Hasina weist die Vorwürfe zurück. Auch, wenn die alte Regierung vertrieben ist – ihre Anhängerinnen und Anhänger sind noch überall: in den Spitälern, bei der Polizei, in den Universitäten.

Könnten sie versuchen, ihre Macht zurückzuerobern? «Ich glaube nicht», sagt der verletzte Student Al Ahsan Mominul. «Wenn sie es versuchen, werden wir sie bekämpfen und ins Gefängnis stecken.»

Rendez-vous, 09.09.2024, 12:30 Uhr

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